Krebsprävention

Tabakindustrie: Rauchausstieg in zehn Jahren möglich

Mit geeigneten regulatorischen Rahmenbedingungen wäre Europa schon vor dem von der EU-Kommission avisierten Jahr 2040 rauchfrei, mahnt ein Tabakerhitzer-Anbieter. Die Branche sieht die Politik am Zug.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Hinweis auf das Rauchverbot in der Öffentlichkeit im Tokioter Stadtbezirk Shinjuku: Japan könnte die erste rauchfreie Nation werden, da hier die vom Rauchverbot ausgenommenen Tabakerhitzer bereits einen hohen Verbreitungsgrad erfahren.  Frank Duenzl/picture alliance

Hinweis auf das Rauchverbot in der Öffentlichkeit im Tokioter Stadtbezirk Shinjuku: Japan könnte die erste rauchfreie Nation werden, da hier die vom Rauchverbot ausgenommenen Tabakerhitzer bereits einen hohen Verbreitungsgrad erfahren. Frank Duenzl/picture alliance

© Frank Duenzl/picture alliance

Lausanne/Brüssel/Tokio/London. Nachdem die EU-Kommission von Suchtforschern stante pede die Leviten gelesen bekam für ihr Vorhaben, im Rahmen des jüngst veröffentlichten EU-Krebsplans europaweit bis 2040 die Raucherprävalenz auf dann nur noch fünf Prozent zu drücken, meldet sich nun auch die Tabakindustrie selbst zu Wort. Viele Länder dieser Erde könnten sogar binnen zehn bis 15 Jahren zu rauchfreien Nationen werden – wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen für rauchfreie Alternativen wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzer stimmen würden. Diese Prognose wagte vor Kurzem André Calantzopoulos, CEO von Philip Morris International (PMI), beim virtuellen Investorentag des Anbieters in Lausanne.

Konkret kritisieren Suchtexperten wie Professor Heino Stöver, Leiter des Instituts für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences, dass die EU offensichtlich an der auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfolgten Rauchausstiegsstrategie „Quit or Die“ alternativlos festhält. EU wie WHO ignorierten, so die Ansicht der Forscher, wissenschaftliche Studien, die nahelegen, dass Alternativen zu konventionellen Tabakzigaretten wie E-Zigaretten oder Tabakerhitzer ein um 95 Prozent reduziertes Schädigungsprofil aufweisen – was auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) anerkennt.

Erwünschte Nebenwirkung: Höhere Margen

Kann sein, dass es Calantzoupolus auch um gelebten Philanthropismus geht bei seinem Ansinnen, das Ende der konventionellen Tabakverbrennungszigarette so schnell wie möglich herbeizuführen. Viel mehr treiben ihn und vor allem die Investoren aber sicher die Aussicht auf höhere Margen bei den innovativen Produkten an, vor allem den Tabakerhitzern. Calantzoupolus möchte deshalb, dass die mehr als eine Milliarde konventionellen Raucher in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken und nicht die Frage, ob die von der Branche als risikoreduzierten Produkte (RRP), wie Erhitzer oder E-Dampf-Lösungen, in den Märkten verfügbar gemacht werden dürften. Bei Letzteren sollte es sich vielmehr darum drehen, wie schnell sie in den Märkten verfügbar sein könnten und wie sie am besten eingesetzt werden könnten, um das Ende der gewohnten Kippe zu besiegeln.

Calantzoupolus verspürt für sein RRP-Werben weltweit immer mehr Rückenwind, setzen peu á peu Gesundheitspolitiker rund um den Globus auf bessere Rahmenbedingungen für Erhitzer & Co – in Deutschland fallen die im Bundestag vertretenen Parteien indes nicht gerade als glühende Verfechter der Rauchalternativen auf, wie eine Umfrage der „ÄrzteZeitung“ ergeben hat.

Nur zu einem Drittel im Dual Use

Rund um den Globus wächst derweil die Bereitschaft der Bevölkerung, auf Rauchalternativen umzusteigen. Beispiel Japan: Nach dem Launch des weltweit ersten Tabakerhitzungssystems der Reihe IQOS durch PMI in Japan in Nagoya 2014 hatten die Erhitzer der drei großen Anbieter im Markt – neben PMI auch British American Tobacco (BAT) mit Glo und Japan Tobacco International (JTI) mit Ploom – bereits binnen kurzer Zeit einen Anteil von mehr als 20 Prozent am dortigen Gesamttabakmarkt erreicht.

Laut Calantzoupolus verzeichnet PMI für seine IQOS-Linie mittlerweile rund 17,6 Millionen Nutzer weltweit, davon 12 Millionen, die den konventionellen Verbrennungszigaretten den Rücken zugekehrt hätten. Nur rund ein Drittel konsumiere die Erhitzer im Zuge des Dual Use. Das weltweit Potenzial für die Rauchalternativen schätzt der PMI-Boss auf 600 Millionen Raucher außerhalb der USA und Chinas.

Nach anfänglichem Zögern rühren nun auch die Wettbewerber kräftig die Werbetrommel für ihre alternativen Produkte. So teilte nun JTI mit, für 2021 mit einem deutlichen Gewinneinbruch zu rechnen. Der japanische Konzern will 1000 Stellen streichen, sich in Teilen reorganisieren und mehr Investment-Mittel in die Erhitzer stecken.

Der britische Mitbewerber BAT hat bereits im März 2020 seine weiterentwickelte Strategie implementiert. „Der Zweck des Unternehmens ist, eine bessere Zukunft, ‚A Better Tomorrow‘, aufzubauen, indem es die gesundheitlichen Folgen seines Geschäfts minimiert, und zwar dadurch, dass es seinen Verbrauchern eine größere Auswahl an genussvollen und risikoreduzierten Produkten anbietet“, heißt es auf derWebsite der deutschen Konzerntochter. BAT ging erstmals im Dezember 2016 mit Glo an den Start – und zwar in der nordostjapanischen Millionenstadt Sendai. 2019 habe der japanische Markt 70 Prozent zum globalen BAT-Erhitzerumsatz beigetragen. Glo sei bereits in 17 Märkten weltweit vertreten, man wolle aber weiter expandieren – PMI ist mit IQOS bereits in 64 Ländern am Markt und strebt, wie es beim Investorentreffen hieß, bis 2025 die Zielmarke von 100 Märkten an.

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