Kommentar zur Klinikeinweisung

Wenn die Not-Falle zuschnappt

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:

Wären im Vorfeld ein paar Dinge anders gelaufen, hätten 41 Prozent der Klinikeinweisungen chronisch kranker Patienten vermieden werden können.

Die Einflussfaktoren für solche Fehlentwicklungen, die in einer Studie der Uni Heidelberg untersucht wurden, sind offenbar komplex und gehen weit über eine unzureichende Primärversorgung hinaus.

Wesentlich scheinen nach Ansicht der Hausärzte, denen entsprechende Fälle zur Beurteilung vorgelegt wurden, auch verschiedene menschliche Schwächen.

Abgesehen von häufig fehlender sozialer Unterstützung chronisch Kranker durch ihr näheres Umfeld herrscht auf allen Seiten vor allem Angst: Von schlecht informierten Patienten etwa wird ein neu auftretendes Symptom nicht selten dramatisch erlebt und lässt an einen Notfall glauben.

Andere dagegen befürchten, den Hausarzt unnötig zu belästigen, und warten viel zu lange, bis schließlich mitten in der Nacht nur noch der Notruf bleibt. Der Notarzt wiederum kennt den Patienten nicht und will sich mit einer Klinikeinweisung gegen Unwägbarkeiten und mögliche rechtliche Folgen absichern.

So manchen chronisch Kranken oder Palliativpatienten würden eine bessere Aufklärung oder eine unmissverständliche Patientenverfügung in dieser Situation möglicherweise vor unnötigen diagnostischen und therapeutischen Turbulenzen bewahren.

Nicht weniger verhängnisvoll als der Faktor Angst scheint das Kommunikationsdefizit, sowohl zwischen Arzt und Patient als auch unter den Versorgern. Aus ihm erwachsen Missverständnisse, Fehlinformationen, Medikamentenfehler und Compliance-Probleme, die Notfälle mit Klinikeinweisungen heraufbeschwören.

Mehr Zeit für klärende Gespräche, ausgefeilte Patientenschulungen, die Möglichkeit, auf die spezielle Situation des Einzelnen stärker eingehen zu können, und ein effektiveres Monitoring könnten dem Patienten und den Angehörigen mehr Sicherheit und Souveränität im Umgang mit der Krankheit verschaffen.

Die Zeiten, in denen der Hausarzt Tag und Nacht erreichbar war, sind vorbei. Neue Lösungen müssen her. Zumindest für die am stärksten von einer Klinikeinweisung bedrohten Menschen in Alten- und Pflegeheimen versucht man jetzt durch Integrationskonzepte ein bisschen mehr Konstanz in die medizinische Alltagsversorgung zu bringen.

Offenbar mit Erfolg: Die AOK verkündet, dass nach Etablierung fester ärztlicher Versorgungsnetze im 24-Stunden-Dienst die Zahl der Klinikeinweisungen von Heimbewohnern zurückgeht.

Investitionen in solche Projekte lohnen sich nicht nur im Hinblick auf die Krankenkassenkosten. Sie ersparen alten Menschen auch die körperlichen und psychischen Strapazen eines unnötigen Krankenhausaufenthalts.

Lesen Sie dazu auch: Klinikeinweisungen: Das bringt Chroniker in die Klinik

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion von Gilead Sciences beim DÖAK 2025 von links: Dr. Nazifa Qurishi, Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Gemeinschaftspraxis Gotenring Köln; Kelly Cavalcanti, HIV-Aktivistin und Referentin für Gesundheit und Empowerment, Köln, und Martin Flörkemeier, Senior Director Public Affairs, Gilead Sciences, München

© Gilead

Unternehmen im Fokus

HIV-Versorgung: Vertrauen in unruhigen Zeiten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Lesetipps
Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Patient mit Hypoglykämie, der seinen Blutzuckerspiegel mit einem kontinuierlichen Blutzuckermesssensor und einer Smartphone-App überwacht.

© martenaba / stock.adobe.com

Trotz Schulung

Die wenigsten Diabetes-Patienten reagieren adäquat auf Hypoglykämie