Zukunftsbranche Gesundheit

Darum bringt eine Zwangs-Zeit als Landarzt nichts

Skandinaviens Landarzt-Kampagne ist kein gutes Vorbild: Drei Monate Zwangsaufenthalt für Ärzte auf dem Land - mit diesem Ansatz haben Schweden, Norwegen und Finnland schlechte Erfahrungen gemacht. Zeit zum Umdenken!

Von Uwe K. Preusker Veröffentlicht:

Der Bundesrat hat die Einführung eines Pflicht-Tertials in Allgemeinmedizin im Rahmen der anstehenden Novellierung der Approbationsordnung für Ärzte abgelehnt.

Gleichzeitig fordert er aber, dass alle Medizinstudenten, die ihr Studium ab Oktober 2013 aufnehmen, das Wahltertial dann doch ausschließlich in der Allgemeinmedizin ableisten sollen.

Damit - so die Idee - soll das Interesse der Medizinstudenten an einer Tätigkeit in der Allgemeinmedizin gefördert werden.

Eine schöne Illusion? Wer die Allgemeinmedizin in der Praxis während seiner Mediziner-Ausbildung ausreichend kennengelernt hat, will dann anschließend auch als Hausarzt - am besten noch auf dem platten Land - arbeiten!

Diese Überlegung beseelt diejenigen, die Medizinstudenten zumindest für einen Teil der praktischen Ausbildung in die Allgemeinmedizin zwingen wollen. Doch funktioniert dieses Modell tatsächlich?

Pflichtassistentenzeit auf dem Land wurde 1953 abgeschafft

Die deutsche Erfahrung beweist das Gegenteil: Denn als es noch den Pflichtassistenten im Anschluss an die Arzt-Ausbildung gab, existierte auch die Verpflichtung, drei Monate dieser insgesamt 15-monatigen Phase in Landpraxen abzuleisten.

Während dieser Zeit erhielt der Pflichtassistent eine eingeschränkte Bestallung - heute würde man Approbation sagen. Dieser Sperrvermerk bedeutete, dass der Pflichtassistent zwar Arzt war, aber sich nicht niederlassen durfte. Der Sperrvermerk wurde erst nach erfolgreicher Ableistung der Pflichtassistentenzeit gelöscht.

Diese Regelung galt bis 1953 und wurde erst aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken wegen der damit verbundenen Einschränkung der Wahl und Ausübung des Berufes durch eine zweijährige Medizinalassistentenzeit abgelöst, die im Gegensatz zum Pflichtassistenten als Bestandteil des Studiums galt.

Zur Medizinalassistentenzeit gehörten sechs Monate Innere Medizin sowie jeweils vier Monate Chirurgie und Gynäkologie/Geburtshilfe. Der Rest konnte frei gewählt werden - und zum Beispiel auch bei einem niedergelassenen Arzt abgeleistet werden.

Die Pflicht zur Tätigkeit in einer Landpraxis hatte man im Zuge dieser Reform abgeschafft - unter anderem, weil der damit erwartete Erfolg im Sinne eines deutlich stärkeren Interesses an einer Tätigkeit als Landarzt schon damals ausblieb.

Angehenden Ärzten fehlt die Praxiserfahrung

Ähnliche Erfahrungen mit solchen Pflicht-Abschnitten im Rahmen von Praxisphasen am Ende oder nach dem Ende der Mediziner-Ausbildung haben auch die nordeuropäischen Gesundheitssysteme gemacht.

Die Idee war durchweg, durch die Zwangs-Verschickung junger oder angehender Ärzte nicht nur das Interesse an einer solchen Tätigkeit zu erhöhen, sondern ganz praktisch auch den Ärztemangel in ländlichen Gegenden unmittelbar einzudämmen!

Doch der erhoffte Erfolg blieb auch dort aus - in beide Richtungen: Angehende Ärzte konnten und können den Ärztemangel in unterversorgten Gebieten nicht ausgleichen - dazu fehlt ihnen einfach die Praxiserfahrung!

Und damit solche Abschnitte tatsächlich ein Teil der Mediziner-Ausbildung sind, benötigen die angehenden Ärzte eine intensive Eins-zu-Eins-Betreuung durch erfahrene Ärzte - dann aber ist es mit der Abmilderung des Ärztemangels nichts.

Das Interesse an einer ärztlichen Tätigkeit in den Weiten Lapplands oder an der fernen Eismeerküste im Norden ist durch diese Ärzte-Landverschickung nicht gestiegen - im Gegenteil: Wer konnte, flüchtete nach der verpflichtenden Landarzt-Zeit zurück in die großen Städte im Süden von Norwegen, Schweden oder Finnland - oder ging gleich vor der Praxisphase in ein anderes Land, das händeringend junge Nachwuchs-Ärzte suchte.

Heute setzen die Nordeuropäer gegen Ärztemangel denn auch eher das Zuckerbrot als die Peitsche ein. Zwang oder verpflichtenden Zeiten in Landarztpraxen scheinen also ungeeignet zu sein.

Ein für freiheitliche Gesellschaften angemessenes Instrument ist die nachhaltige Förderung der Attraktivität speziell solcher Tätigkeiten!

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