US-Forscher decken auf

Die Rangliste der Arzt-Irrtümer

Diagnostische Fehler im Fokus: US-Forscher haben jetzt anhand von Patientenakten untersucht, in welchen Fällen es zu ärztlichen Irrtümern kommt.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Dokumentation ist das A & O: Es genügt nicht, nur die Diagnose in der Patientenakte festzuhalten. Alle Symptome sind strukturiert zu erfassen.

Dokumentation ist das A & O: Es genügt nicht, nur die Diagnose in der Patientenakte festzuhalten. Alle Symptome sind strukturiert zu erfassen.

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HOUSTON. Die Forscher um Dr. Hardeep Singh vom Baylor College of Medicine in Houston, Texas, hatten Patientenakten aus zwei großen Zentren durchforstet.

Hier hatten 69 Praktiker binnen eines Jahres rund 100.000 Patienten behandelt. Irrtümer bei der Diagnostik wurden mit "Triggerinformationen" in der elektronischen Patientenakte aufgespürt: unerwartete Arztbesuche oder Klinikeinweisungen binnen 14 Tagen nach der Erstvorstellung (JAMA Intern Med 2013; online 25. Februar).

Probleme beim Arzt-Patienten-Kontakt

190 Fälle von verpassten oder falschen Diagnosen wurden so herausgefiltert. Gestört wurde der diagnostische Prozess hauptsächlich durch Probleme beim Arzt-Patienten-Kontakt (78,9 Prozent).

Dies waren vor allem Mängel bei der Anamnese (56,3 Prozent), bei der körperlichen Untersuchung (47,4 Prozent) oder beim Anfordern diagnostischer Tests (57,4 Prozent).

Deutlich seltener waren Probleme bei Überweisungen (19,5 Prozent) sowie allgemeine Kommunikationsprobleme oder Schwierigkeiten der Patienten, die Symptome richtig zu schildern (16,3 Prozent).

Die 68 "verpassten" Einzeldiagnosen waren bunt gestreut: Angeführt von Pneumonien (6,7 Prozent), dekompensierter Herzinsuffizienz (5,7 Prozent), akutem Nierenversagen (5,3 Prozent), Krebs (5,3 Prozent), Harnwegsinfektionen oder Pyelonephritis (zusammen 4,8 Prozent).

Auch die ursprünglich in der Patientenakte vermerkten Symptome waren breit gefächert: mit Husten an der Spitze (12,1 Prozent), abdominellen Schmerzen (8,9 Prozent), Kurzatmigkeit (6,3 Prozent), Rückenschmerzen (3,7 Prozent) und weiteren Beschwerden.

Forscher geben selbst keine Empfehlungen

Nur ein Fünftel der Arzt-Irrtümer kam im Zuge eines geplanten Follow-up ans Licht. 52 Prozent flogen auf, weil sich die ursprünglichen Beschwerden nicht besserten.

Bei knapp 35 Prozent hatten sich die originären Symptome weiterentwickelt, bei 22,6 Prozent waren neue Symptome hinzugekommen, was dann zur korrekten Diagnose geführt hatte.

Angesichts der Vielfalt der Erstsymptome tun sich die Forscher schwer, Empfehlungen zur Vermeidung diagnostischer Fehler zu geben.

"Wir müssen den Fokus auf elementare klinische Fähigkeiten des Untersuchers legen", schreiben sie dazu, vor allem das Zusammentragen von Patientendaten und die korrekte Synthese der einzelnen Befunde.

Es wird dringend dazu geraten, alle Symptome strukturiert zu erfassen. Es genüge nicht, nur die Diagnose in der Patientenakte festzuhalten.

Die ausführliche Dokumentation aller Befunde sowie der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ist in Deutschland seit Einführung des neuen Patientenrechtegesetzes Pflicht.

Dokumentation ist das A & O

In der US-Studie hatte es bei nahezu der Hälfte der Fälle an der Dokumentation gehapert. Eine angemessene Exploration der Leitsymptome hatte entweder nicht stattgefunden oder war nicht in der Akte vermerkt worden.

Bei der Indexvisite wurde zudem in über 80 Prozent der Fälle keine Differenzialdiagnose angegeben. In 7,4 Prozent hatten die Mediziner frühere Aufzeichnungen einfach per "Copy and Paste" in die Akte übertragen und dabei Fehler gemacht.

Die meisten Irrtümer hatten dabei das Potenzial, den Patienten ernsthaft zu schaden: 86,8 Prozent der Fälle rangierten auf einer 8-Punkte-Skala zwischen 4 und 8, was einer mäßigen bis schweren Schädigung entspricht (1 = kein Schaden, 8 = Tod).

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Arzt in der Zeitfalle

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Kommentare
Steffen Jurisch 27.03.201308:21 Uhr

Eine Lanze für die Hausärzte

sollte man angesichts dieser "Studie" schon brechen, denn sie leisten wirklich viel, wenn man sich die Wartezimmer und den Verwaltungsaufwand ansieht, den ein Allgemein Mediziner als Hausarzt heute bewerkstelligen muss. Meiner Meinung nach trägt der Computer und die Abrechnung über jenen nicht zu einer optimalen Arbeit bei, denn dieser nimmt immer mehr Zeit und Gedanken des Arztes in Anspruch.

Wir Heilpraktiker dürfen ja, zum Glück, nicht mit den Krankenkassen abrechnen, rechnen immer mit dem Patienten direkt ab. Aber selbst das erstellen einer Rechnung für die Zusatzkrankenkasse nimmt fast so viel Zeit ein, wie die Behandlung des Patienten selbst - wie muss dass dann bei einem Arzt sein?

Fehler passieren, jedem Menschen, klar, bei einem Arzt kann der Fehler schwerwiegendere Auswirkungen für den Einzelnen haben - aber wie gesagt, wenn der Arzt mehr Zeit für jeden Patienten der sie benötigt im Einzelfall hätte…

Es gäbe noch mehr zu sagen zu den Ursachen von "Falschdiagnosen", ich denke aber eine der wichtigsten, noch zu erwähnenden, wäre die der Symptomverschiebung - es gibt sehr, sehr oft nicht mehr die klassisch beschriebenen Symptome, da meist schon große Vorschädigungen des Organismus vorliegen, wie z.B. Adiposidas, Medikamenten-Dauer-Einnahmen, Diabetes Typ II der vielleicht noch nicht festgestellt wurde und, und, und.

Ach ja, und dann wäre ja noch der Fakt, dass Ärzte aufgrund ihrer wenigen Zeit immer mehr das Angebot der Weiterbildung am Computer wahrnehmen, welche oft nicht gerade ein hohes Niveau haben, da sie oft von Pharmaunternehmen zur Verfügung gestellt werden, die dann immer gleich das neueste Mittel für die behandelte Krankheit mit anbieten. Meiner Meinung sollte hier der Focus wieder stärker auf eine offene Falldiskussion mit Kollegen gesetzt werden: " Ich habe da einen Fall mit den und den Symptomen, was sagen Sie dazu Herr Kollege?"

Das würde wieder mehr Niveau in unsere Arztpraxen bringen.

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