Gastbeitrag

Telefon-Aufklärung der Eltern birgt Tücken

Reicht es aus, vor der Operation eines Minderjährigen, die Eltern telefonisch über die Risiken aufzuklären? In bestimmten Fällen ja, meint unser Gastautor. Er weist aber auf besondere Fälle hin, in denen Ärzte einige Besonderheiten beachten sollten, um schlimmstenfalls nicht vor Gericht zu landen.

Von Markus Finn Veröffentlicht:
Ärzte sollten die telefonische Aufklärung auf jeden Fall dokumentieren.

Ärzte sollten die telefonische Aufklärung auf jeden Fall dokumentieren.

© L.-A.Thompson / fotolia.com

Das Dilemma kann sich jedem Behandler täglich stellen: Reicht es aus, nur einen Elternteil telefonisch aufzuklären, wenn es um die Risiken einer Op bei einem minderjährigen Kind geht? Der Bundesgerichtshof (BGH, Az.: VI ZR 204/09) hat vor Kurzem entschieden, dass eine telefonische Risikoaufklärung in "einfach gelagerten Fällen" im Grundsatz zulässig ist, wenn der Patient damit einverstanden ist.

Der Fall hatte jedoch eine Besonderheit. So bestand der Arzt im telefonischen Aufklärungsgespräch mit dem Vater darauf, dass beide Elternteile am Morgen vor der Op anwesend sind, nochmals Gelegenheit zu Fragen erhalten und ihre Einwilligung schriftlich erteilen. Ob dieses Insistieren auch für die Zulässigkeit der telefonischen Aufklärung entscheidungsrelevant war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Für Ärzte ist es ratsam, Patienten bereits am Telefon die Gelegenheit zu weiteren Fragen in einem persönlichen Gespräch anzubieten und - auf deren Wunsch hin - zu gewähren. Zur Beweissicherung sollte der Arzt in der Krankenakte in kurzen Worten den wesentlichen Inhalt des Telefonats und auch das Angebot eines persönlichen Gesprächs für weitere Fragen dokumentieren.

Unabhängig davon muss der Arzt sicherstellen, dass der Patient alles verstanden hat. Eine Aufklärung per Telefon sollte auch aus diesem Grund lediglich in offenkundig unkomplizierten Fällen mit nur unerheblichen Risiken in Betracht gezogen werden. Denn nimmt der Arzt vorschnell einen "einfach gelagerten Fall" an, drohen die Unwirksamkeit der Einwilligung und damit die Haftung gegenüber dem Patienten.

Eine weitere Besonderheit des entschiedenen Falles lag darin, dass nur der Vater vom Anästhesisten aufgeklärt worden war. Der BGH fordert für einen Eingriff bei Minderjährigen aber die Einwilligung beider sorgeberechtigten Elternteile. Die Rechtsprechung sieht für den Arzt jedoch gewisse Erleichterungen vor und unterscheidet dabei drei Fallgruppen:

Routinefälle: Der Arzt kann davon ausgehen, dass der mit dem Kind erscheinende Elternteil ermächtigt ist, für den abwesenden Ehegatten mitzuentscheiden. Darauf darf der Arzt "in Grenzen" vertrauen, solange ihm keine entgegenstehenden Umstände bekannt sind.

Eingriffe schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken: Der Arzt muss sich vergewissern, dass der erschienene Elternteil die Ermächtigung des anderen hat und wie weit diese reicht. Der Arzt darf aber - wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte bestehen - auf eine wahrheitsgemäße Auskunft des erschienenen Elternteils vertrauen. Darüber hinaus kann es angebracht sein, den erschienenen Elternteil aufzufordern, Chancen und Risiken des Eingriffs mit dessen Ehegatten zu besprechen.

Schwierige und weit reichende Entscheidungen über Behandlungen mit erheblichen Risiken (etwa Herz-Op): Im Grundsatz hat der Arzt auch den nicht erschienenen Elternteil zu beteiligen, sofern dieser nicht gegenüber dem Arzt vorbehaltlos und umfassend auf die Beteiligung verzichtet.

Fazit: Per Telefon sollten Patienten lediglich in offenkundig unkomplizierten Fällen mit nur unerheblichen Risiken aufgeklärt werden. Für Ärzte ist es zudem ratsam, Patienten am Telefon die Gelegenheit zu weiteren Fragen in einem persönlichen Gespräch anzubieten.

Zur Person: Dr. Markus Finn ist selbstständiger Rechtsanwalt in Berlin und Lehrbeauftragter der Charité.

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