Auf dem Weg zum Kunstherz

Muskeln aus der Spraydose

Um ein künstliches Herz im Labor nachzubauen, müsste es gelingen, vielschichtige, lebende Gewebe zu züchten. Forscher sind diesem Ziel nun näher gekommen: Mit einem Sprühverfahren erzeugten sie funktionierende Muskelfasern.

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Der Natur nachgeahmt: Ein Geflecht aus Muskelfasern (Muskelfasern in rot, Zellkerne in blau) wächst auf einem Gerüst auf gesponnenem Kunststoff.

Der Natur nachgeahmt: Ein Geflecht aus Muskelfasern (Muskelfasern in rot, Zellkerne in blau) wächst auf einem Gerüst auf gesponnenem Kunststoff.

© Empa Materials Science and Techn

ST. GALLEN / ZÜRICH. Eine Alternative zur Transplantation eines Spenderherzens wäre ein künstliches Herz, das nach der Implantation keinerlei Abstoßungsreaktionen im Körper auslöst. Das Projekt "Zurich Heart" des Forschungsverbundes Hochschulmedizin Zürich, dessen Partner das Schweizer Forschungsinstitut Empa Material Science and Technology ist, entwickelt derzeit ein solches Kunstherz.

Damit die "Pumpe aus dem Labor" vom Körper angenommen wird, soll sie – einer Tarnkappe gleich – von menschlichem Gewebe umhüllt und ausgekleidet sein. Bisher ist das Züchten von mehrschichtigen funktionsfähigen Geweben jedoch noch eine große Herausforderung im aufstrebenden Gebiet des "Tissue Engineering".

Empa-Forschern ist es nun gelungen, Zellen in einem dreidimensionalen Kunststoffgerüst zu Muskelfasern heranwachsen zu lassen.

Schützende Kapseln aus Gelatine

"Das menschliche Herz ist natürlicherweise aus mehreren Lagen unterschiedlicher Gewebe aufgebaut", wird Empa-Wissenschaftler Lukas Weidenbacher in einer Mitteilung des Instituts zitiert. Mehrschichtig wachsende Muskelfasern zu züchten, ist jedoch schwierig, da die Zellen zunächst in ein räumliches Gerüst eingebracht werden müssen.

"Zwar ist es möglich, dreidimensionale Gebilde aus Kunststoff zu erzeugen, die dem menschlichen Gewebe stark ähneln, etwa durch das sogenannte Elektrospinning", so Weidenbacher. Dabei werden flüssige Polymere als dünne Fäden in der Form natürlicher Gewebe versponnen. Schädliche Lösungsmittel, die für die Methode nötig sind, seien jedoch Gift für die empfindlichen Zellen.

Die Forscher haben daher die Zellen in schützende Kapseln verpackt. Eine Hülle aus Gelatine enthält jeweils ein bis zwei Zellen. So bleiben die Zellen vor den Lösungsmitteln geschützt. Ein spezielles Sprühverfahren, das Elektrospraying, ermöglicht es, die Kapseln in die Poren des gesponnenen Gerüsts einbringen.

"Das Sprayen überstehen die derart geschützten Zellen sehr gut", so der Materialforscher. Haben sich die Zellen einmal am Zielort eingenistet, löst sich die gallertige Gelatinkapsel innerhalb von Minuten auf.

Zellen im Kunststoff-Nest

Für ihre Versuche haben die Forscher unreife Muskelzellen einer Mäuse-Zelllinie verwendet. Die Vorläuferzellen differenzierten sich im Gerüst aus und produzierten Proteine, die typischerweise in Muskeln vorkommen.

Dass es den Zellen in ihrem Kunststoff-Nest gefällt, zeigen Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop: Sobald die Kapseln aufgelöst sind, beginnen die unreifen Vorläuferzellen miteinander zu verschmelzen und zu länglichen Muskelfasern auszureifen.

Am Schluss soll eine Struktur entstehen, die natürlichem Muskelgewebe möglichst ähnlich ist. "Da das künstliche Herz permanent vom Blutkreislauf durchspült wird, ist es wichtig, dass die Oberflächen so gestaltet ist, dass sich keine Gerinnsel bilden", berichtet Weidenbacher.

Das implantierbare Kunstherz wollen die Forscher in Zukunft mit Zellen bestücken, die vom Patienten selbst stammen. So könnte für die Betroffenen ein persönliches Herz gezüchtet werden, das für die Körperabwehr "unsichtbar" bleibt. (eb)

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