WHO: Dieselabgase lösen Krebs aus

Mehr als 35 Studien hat es gedauert, doch jetzt steht für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest: Die Abgase aus Dieselmotoren sind für Menschen sicher krebserregend. Den Nachweis liefern laut WHO Studien, in denen mehrere Störfaktoren herausgerechnet werden konnten.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Ultrafeine Abgasartikel gelangen tief in die Atemwege.

Ultrafeine Abgasartikel gelangen tief in die Atemwege.

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LYON. Bereits 1955 hatte man vermutet, dass Dieselabgase Krebs auslösen könnten, weil die Abgaspartikel polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzo(a)pyren enthalten. Von diesen Stoffen war schon damals aus Tierversuchen bekannt, dass sie kanzerogen sind.

Seither wurde in mehr als 35 Kohorten- und Fallkontrollstudien der Zusammenhang zwischen dem Einatmen von Dieselabgasen und der Mortalität durch Lungenkrebs analysiert.

Bereits im Jahr 1988 wurden aufgrund der verfügbaren Studienergebnisse international Emissionen aus Dieselmotoren als möglicherweise krebserregend eingestuft.

Jetzt hat die International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die gesundheitlichen Gefahren durch Dieselabgase nach einer Konferenz in Lyon vor Kurzem erneut bewertet.

Die Experten aus sieben Ländern stufen die Abgase als krebserregend ein, weil es inzwischen ausreichende Evidenz aus Studien für die Kanzerogenität dieser Abgase auch bei Menschen gebe.

Dabei gilt der Zusammenhang mit der Entstehung von Lungenkrebs ihrer Ansicht nach als nachgewiesen, ein Zusammenhang mit Blasenkrebs wird vermutet.

Um 40 Prozent höheres Lungenkrebsrisiko

Die Agentur beruft sich bei ihrer Entscheidung auf eine ganze Reihe von epidemiologischen Studien, in denen Arbeiter unter unterschiedlichen Bedingungen Dieselabgasen ausgesetzt waren, so auch auf Anfang 2012 publizierte Untersuchungen bei Bergarbeitern (J Natl Cancer Inst 2012;104:1-14 und 869- 883).

An den Studien waren mehr als 12.300 Bergarbeiter in den USA beteiligt, die mindestens ein Jahr und im Mittel acht Jahre lang unter Tage gearbeitet hatten.

Im Vergleich zu den Arbeitern mit den niedrigsten kumulativen Partikelkonzentrationen, denen sie ausgesetzt waren, hatten diejenigen mit den höchsten Konzentrationen ein um das Dreifache erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Sowohl andere arbeitsbedingte Substanzen als auch Rauchen hatten die Wissenschaftler herausgerechnet.

Die IARC berücksichtigte bei ihrer Entscheidung auch eine US-Studie, an der Bahnarbeiter teilnahmen, die Abgasen aus Dieselmotoren ausgesetzt waren.

Wie die Arbeitsgruppe um Dr. Kurt Straif von der IARC berichten, hatten Arbeiter mit den höchsten kumulativen Dosen ein um 40 Prozent erhöhtes Lungenkrebsrisiko im Vergleich zu Arbeitern, die sehr niedrige oder gar keine Dieselabgase eingeatmet hatten.

Auch bei Lastkraftwagenfahrern und Hafenarbeitern, die regelmäßig den Abgasen ausgesetzt waren, wurde in einer US-Studie ein um 15 bis 40 Prozent erhöhtes Lungen-Ca-Risiko festgestellt.

Nach 20 Jahren hatte sich das Krebsrisiko knapp verdoppelt, wobei der Faktor Rauchen herausgerechnet wurde, wie Straif und seine Kollegen berichten.

Schätzungen zufolge sind drei Millionen Arbeiter Dieseabgase ausgesetzt

Schließlich stützt die IARC ihre Entscheidung auch auf die Ergebnisse des von ihr koordinierten Synergy-Projektes in Europa und Kanada (Am J Respir Crit Care Med. 2011; 183(7): 941-948).

Wurden die Daten von 13.304 an Lungenkrebs Erkrankten mit denen von fast 16.300 Kontrollen ohne Exposition verglichen, ergab sich ein Odds-Ratio-Wert von 1,31 für die höchste Abgasbelastung über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren.

Es wird geschätzt, dass in Europa etwa drei Millionen Arbeiter regelmäßig Emissionen von Dieselmotoren ausgesetzt sind.

In den von der IARC zudem begutachteten tierexperimentellen Studien wurden Verbrennungsprodukte von Diesel aus Motoren auf ihre Krebs auslösende Wirkung getestet, die vor dem Jahr 2000 entwickelt wurden.

Wurden die Abgase nicht fraktioniert geprüft, lösten sie Lungenkrebs aus. Das war auch bei der Verwendung nur von Rußpartikeln der Fall, nicht dagegen bei der Verwendung der gasförmigen Stoffe aus den Abgasen. Die Stoffe wurden jeweils direkt in das Lungengewebe appliziert.

Gefährlich sind die Abgase für Menschen, weil sie hohe Mengen an ultrafeinen Partikeln mit einem Durchmesser unter 0,1 µm enthalten, die tief in die Atemwege eindringen. An die große Gesamtoberfläche können sie leicht organische Stoffe mit kanzerogenem Potenzial binden.

Bereits in der S3-Leitlinie von 2010 erinnerten die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und die Deutsche Krebsgesellschaft daran, dass sich in Deutschland durch Rußfilter für Dieselfahrzeuge etwa 1100 bis 2200 Lungenkrebstodesfälle pro Jahr vermeiden lassen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: "Amtlich" - aber ohne Konsequenzen

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