Rückenschmerzen

Ärzte setzen bildgebende Verfahren zu oft ein

Die Mehrzahl der Patienten mit Rückenschmerzen besteht auf Röntgen-, CT oder MRT-Aufnahmen. Das zeigt der "Faktencheck Rücken" der Bertelsmann Stiftung.

Von Anne Zegelman Veröffentlicht:
Ärzte setzen bildgebende Verfahren zu oft ein

© VRD / fotolia.com

GÜTERSLOH. Bei Rückenschmerzen greifen Ärzte viel zu oft zu bildgebender Diagnostik – und verursachen dadurch unnötig hohe Kosten. Das ist das Ergebnis der am Dienstag veröffentlichten Studie "Faktencheck Rücken" der Bertelsmann Stiftung.

38 Millionen Besuche bei Haus- oder Fachärzten sind jedes Jahr rückenschmerzbedingt, heißt es in der Studie. Jeder fünfte gesetzlich Versicherte geht demnach mindestens einmal im Jahr wegen Rückenschmerzen zum Arzt – 27 Prozent sogar vier Mal oder öfter. In sechs Millionen Fällen veranlassen Ärzte, meist Orthopäden, ,Röntgen-, CT oder MRT-Aufnahmen.

Bilder verbessern Diagnose nicht

Offenbar entsprechen viele Ärzte damit dem Wunsch der Patienten. Denn laut Studie erwarten 60 Prozent der Bevölkerung schnellstens eine bildgebende Untersuchung. Und mehr als zwei von drei Personen (69 Prozent) sind der Meinung, dass der Arzt durch bildgebende Diagnostik die genaue Ursache des Schmerzes findet.

Das ist allerdings eine Fehleinschätzung, denn in den meisten Fällen bringen die Bilder nichts: "Ärzte können gerade einmal bei höchstens 15 Prozent der Betroffenen eine spezifische Ursache für den Schmerz feststellen. Die meisten Bilder verbessern oft also weder Diagnose noch Behandlung von Rückenschmerzen", heißt es in der Studie. Die Ergebnisse würden darauf hindeuten, dass bei Patienten mit Rückenschmerzen zu viel bildgebende Diagnostik durchgeführt werde, insbesondere bei fehlenden Hinweisen auf eine spezifische Ursache.

Oft werde auf konventionelle Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule zurückgegriffen – aufgrund der Strahlenbelastung sei dies jedoch kritisch zu hinterfragen. Viele Patienten erhielten frühzeitig eine Bildgebung, etwa jeder Fünfte mit neu aufgetretenen Rückenschmerzen bereits im Quartal der Erstdiagnose. Aber: Bei weniger als der Hälfte wurde zuvor ein konservativer Therapieversuch unternommen.Die Studienautoren Dr. Frank Andersohn von der Charité und Dr. Jochen Walker vom Institut für angewandte Gesundheitsforschung Berlin (InGef) schlagen deshalb vor, bildgebende Verfahren in der ambulanten Versorgung von Patienten mit Rückenschmerzen rationaler einzusetzen – insbesondere bei geringer Wahrscheinlichkeit für spezifische Ursachen und bei jüngeren Menschen. Bei Patienten mit Rückenschmerzen und fehlenden Warnhinweisen sollte eine Bildgebung ihrer Meinung nach erst erfolgen, wenn es angemessenen therapeutischen Maßnahmen zu keiner ausreichenden Besserung der Symptome kommt.

Auffällig sind regionale Unterschiede: Betroffene mit Rückenschmerzen gehen in Berlin oder Bayern viel häufiger zum Arzt als in Hamburg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Die Zahl der Behandlungsfälle pro 1000 Versicherten und Jahr variiert zwischen 370 in Hamburg und 509 in Berlin.

Zwischen den Bundesländern variieren die Verordnungen von Röntgen-, CT-, und MRT-Aufnahmen um bis zu 30 Prozent. In manchen Stadt- und Landkreisen werden doppelt so viele Aufnahmen veranlasst als in anderen.Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, fordert: "Die gründliche körperliche Untersuchung und das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient müssen wieder mehr Gewicht erhalten." Dafür bedürfe es Korrekturen im ärztlichen Vergütungssystem. Gespräche müssten im Verhältnis zu technikbasierten Untersuchungen besser bezahlt werden.

Strenge Regeln in Kanada

In einer vorab veröffentlichten Mitteilung der Bertelsmann-Stiftung werden internationale Beispiele aufgeführt, mit denen unnötige und möglicherweise gar gesundheitsschädliche Aufnahmen andernorts reduziert werden: "In Teilen Kanadas erhalten Ärzte seit 2012 keine Vergütung mehr, wenn sich herausstellt, dass Bildaufnahmen veranlasst wurden, obwohl kein gefährlicher Verlauf der Rückenschmerzen erkennbar war", heißt es dort. Und: "In den Niederlanden setzt man auf striktere Zugangsbeschränkungen zu Röntgen-, CT- und MRT-Geräten."

Die Studie beruht auf Auswertungen der Forschungsdatenbank des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung Berlin (InGef), die sich aus anonymisierten Routinedaten von mehr als sieben Millionen Versicherten aus rund 70 gesetzlichen Krankenversicherungen Deutschlands zusammensetzt.

Studie der Bertelsmann Stiftung:

http://tinyurl.com/zbtsyfl

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