Die goldene "Braut der Sonne" wird nur am Vormittag gepflückt

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Von Ursula Gräfen

"Braut der Sonne", "Goldblume" - wer vor einem Feld mit tausenden von Ringelblumen steht, die alle ihre gelb-orangefarbenen Blüten der Sonne zuwenden, kann diese volkstümlichen Namen der Heilpflanze gut verstehen. Im Juli ist es allerdings vorbei mit dem Blütenmeer: Dann ist Calendula-Ernte im Heilpflanzengarten von Weleda in Schwäbisch-Gmünd-Wetzgau.

Zwölf Männer und Frauen gehen durch die Reihen der Ringelblumen und pflücken die Blüten. Das geht blitzschnell: In anderthalb Stunden ist ein Feld abgeerntet - das Ergebnis sind 180 Kilo Blüten. Dann geht es an das zweite Feld. Ein paar Tage später sammelt das Team die neu aufgeblühten Calendula ein. Denn geerntet werden nur die weit geöffneten Blüten. Auch das Kraut wird zum Schluß noch geschnitten und mitverarbeitet.

Die erntefrischen Blütenblätter werden sofort verarbeitet

Die Blüten müssen trocken sein, wenn sie gepflückt werden. Die Ernte beginnt deshalb erst, wenn der Nachttau getrocknet ist. Die Ernte von Heilpflanzen-Blüten hängt also stark vom Wetter ab. In verregneten Sommern wird jeder trockene Tag ausgenützt - egal, ob er auf ein Wochenende fällt.

Beim bittersüßen Nachtschatten etwa muß es besonders schnell gehen. Die kleinen blauen Dulcamara-Blüten verblühen sehr schnell und dürfen nicht bei Regen geerntet werden. Wenn es eng wird mit der Erntezeit, geht bei den Weleda-Mitarbeitern eine E-Mail rum: Wer kann mitmachen? So kommen immer genügend Helfer zusammen.

Wichtig ist, daß die Calendula-Blüten morgens geerntet werden, wenn der Pflanzensaft aufsteigt. Und spätestens um ein Uhr müssen die Ringelblumen-Pflücker fertig sein. Denn die Blüten werden gleich am Nachmittag noch frisch verarbeitet. Sie werden sofort vom Feld zum Weleda-Verarbeitungszentrum gebraucht. Sobald ein Auto voll Blüten-Kisten ist, fährt es los.

Die erntefrischen Blütenblätter kommen in einen Cutter und werden zerkleinert. Dann werden sie mit einem Alkohol-Wasser-Gemisch angesetzt. Es folgt eine zweiwöchige Ruhe- und Extraktionsphase in Edelstahlfässern. Schließlich wird der Ansatz abgepreßt. Ergebnis: die Calendula-Urtinktur. Sie lagert dann im Tinkturenkeller, der Schatzkammer von Weleda. Hier stehen über 300 pflanzliche Urtinkturen zur Weiterverarbeitung bereit.

Insgesamt vier Tonnen frische Calendula-Blüten braucht das Unternehmen jährlich. Ein Drittel davon werden zu Arzneimitteln, etwa zur Wundbehandlung, verarbeitet, zwei Drittel zu Haut-Pflegeprodukten, vor allem für Babys und Kinder.

Das Unternehmen baut auch im Ausland Heilpflanzen an, etwa in der Schweiz oder in Neuseeland. Doch der Weleda-Heilpflanzengarten in Wetzgau ist mit 20 Hektar der größte und auch der größte in Europa. 250 Pflanzen werden hier angebaut, darunter 180 Arzneipflanzen. Andere Pflanzen wie der Buchweizen dienen der Gründüngung. Denn im Garten des antroposophischen Betriebs geht es biologisch-dynamisch zu.

In Wetzgau wachsen viele Pflanzen in Feldkulturen, etwa die Ringelblumen, aber auch Baldrian, Malven oder Eselsdisteln. Auch Bäume wie Kastanien oder Birken werden kultiviert. Sogar ein Brennessel-Feld gibt es. Dazu werden die Nesseln extra im Gewächshaus gezüchtet.

Und das sei nicht leicht, versichert Ursula Mühl-eisen vom Gärtner-Team. "Sie keimen ungleichmäßig und brauchen zum Keimen ein bißchen Kälte." Brennesselwurzel ist Bestandteil eines Gels gegen Insektenstiche und Sonnenbrand.

Im zwei Hektar großen Kleingarten wachsen Pflanzen, die für homöopathische Mittel verarbeitet werden, in kleineren Beeten. Denn für Homöopathika braucht man nur relativ kleine Mengen. Hier gibt es Eisenhut und Traubensilberkerze, Tausendgüldenkraut und Thymian, Goldrute und Hirschzungenfarn. In den Gewächshäusern werden auch zum Beispiel spanische Pepperoni, Tomaten, Tabak und Kürbis angebaut - alles wird für Arzneimittel oder andere Produkte gebraucht.

Jedes Jahr kommt eine neue Heilpflanze dazu

In jedem Jahr wird mindestens eine neue Heilpflanze studiert und ihr Anbau getestet. Meist arbeiten die Weleda-Gärtner dann mit Studenten der Uni Hohenheim zusammen. Im letzten Jahr etwa ging es um den Augentrost, der, wie der Namen schon andeutet, bei Augenleiden hilft. Bisher wurden nur Pflanzen aus Wildsammlungen verarbeitet.

Das Problem beim Anbau, erzählt Ursula Mühleisen: Der Augentrost ist ein Halbschmarotzer. Er kann also nicht einfach in ein Feld gesät werden, sondern die kleine Pflanze mit den hübschen weißen Blüten muß zusammen mit Gras und Klee wachsen. Das Projekt war ein großer Erfolg. Und in diesem Jahr ist Weleda das einzige Unternehmen in der Welt, das Augentrost anbaut.

Andere Heilpflanzen wie der Alant werden inzwischen nicht mehr für die Produktion gebraucht. Sie werden aber weiter gepflegt, denn der Heilpflanzengarten ist auch ein Schaugarten. Etwa 8500 Besucher kommen pro Jahr. Zwei Stunden dauert die kostenlose Führung. Dabei gibt es auch spezielle Führungen für Ärzte. Allerdings ist der Garten bis Oktober schon ausgebucht.

Doch es gibt auch vorher eine Chance, den Heilpflanzengarten in Wetzgau zu besuchen: bei den Weleda-Tagen 2005, die am 24. und 25. September stattfinden. Dann steht auch der Garten Besuchern offen, und man kann all die Pflanzen mit den hübschen und geheimnisvollen Namen kennenlernen: Zaunrübe und durchwachsender Wasserhanf, Meisterwurz und Herzgespann, Indianernessel und Eselsdistel, Brutblatt und bittersüßer Nachtschatten.

Spezielle Führungen für Ärzte werden auf Anfrage organisiert, allerdings nur für Gruppen ab etwa zehn. Interessenten können sich melden bei: Dr. Bettina Arnold-von Versen, Telefon: 071 71 / 919-325, E-Mail: barnold@weleda.de

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