Nikotinentzug

Rauchfrei in kleinen Schritten - das klappt

Lieber weniger als gar nicht, das ist für Suchtkranke oft die attraktivere Option. Beim Nikotinentzug mit Arzneien kann diese Strategie auch tatsächlich funktionieren - eine Option für Patienten, denen das Aufhören von heute auf morgen nicht gelingt.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Mit dem Rauchen aufhören muss man nicht zwangsläufig von heute auf morgen. Ein langsamer Entzug mithilfe von Arzneien kann gelingen.

Mit dem Rauchen aufhören muss man nicht zwangsläufig von heute auf morgen. Ein langsamer Entzug mithilfe von Arzneien kann gelingen.

© Rumkugel - Fotolia

ROCHESTER. Wer es schafft, von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchen aufzuhören, darf mit einer gewissen Bewunderung seiner Mitmenschen und vor allem seiner Mitraucher rechnen, doch den meisten Menschen fällt ein solcher Schritt äußerst schwer.

Viele halten die Abstinenz nicht lange durch und werden rasch rückfällig.

In der Suchtmedizin setzt sich daher langsam die Erkenntnis durch, dass es schon ein Erfolg sein kann, wenn es Betroffenen gelingt, etwas weniger Drogen zu konsumieren. Dann ist es vielleicht auch leichter, eines Tages ganz aufzuhören.

Einem Drittel gelingt der Entzug nach drei Monaten

Ob dieses Konzept bei Rauchern aufgeht, haben nun Psychiater um Dr. Jon Ebbert von der Mayo Clinic in Rochester geprüft (JAMA 2015; 313(7):687-694).

In einer randomisiert-kontrollierten Studie untersuchten sie das Entwöhnungsmittel Vareniclin bei Rauchern, die nicht willens oder in der Lage waren, sofort mit dem Inhalieren verbrannten Tabaks aufzuhören, aber sich bereit erklärten, weniger zu qualmen und innerhalb von drei Monaten mindestens einen Versuch zu unternehmen, das Laster komplett zu beenden.

An der Studie nahmen insgesamt 1510 Raucher aus zehn Ländern teil - darunter auch solche aus Deutschland.

Etwa die Hälfte bekam ein halbes Jahr lang Vareniclin (1 mg/d), die andere Hälfte Placebo. Ein weiteres halbes Jahr wurde der Erfolg der Intervention beobachtet.

Konsum wird zunächst um 50 Prozent gedrosselt

Die Raucher sollten ihren Konsum im ersten Monat um 50 Prozent, bis zum Ende des zweiten Monats um 75 Prozent und spätestens mit dem Ende des dritten Monats komplett zurückfahren.

Alle Teilnehmer erhielten diverse Broschüren und Ratschläge zum Nikotinentzug, zudem stand ihnen ein Berater zur Seite, der sie telefonisch oder bei einem der 18 Arztbesuche unterstützte.

Er ermutigte etwa die Teilnehmer, die den Entzug nicht schafften oder wieder rückfällig wurden, es erneut zu versuchen.

Wie sich herausstellte, blieb knapp ein Drittel der Patienten mit Vareniclin (32 Prozent) vom Ende des dritten bis zum Ende des sechsten Monats abstinent, in der Placebogruppe schafften dies nur rund 7 Prozent.

Als abstinent galten Patienten, die einen Rauchverzicht angaben und zugleich bei den Arztvisiten keine erhöhten Mengen an Kohlenmonoxid im Atem aufwiesen.

Am höchsten waren die Abstinenzraten in den Wochen 21 bis 24, also zum Ende der Entzugsbehandlung, in diesen Wochen ließen knapp 38 Prozent in der Gruppe mit Vareniclin die Finger von Kippen, Zigarren oder der Pfeife, mit Placebo schafften dies nur 13 Prozent.

Nach dem Therapieende blieben das komplette folgende halbe Jahr immerhin noch 27 Prozent mit einstiger Vareniclin-Behandlung und 10 Prozent mit Placebo abstinent, insgesamt lagen die Abstinenzraten bei der Entwöhnung mit dem partiellen Nikotinrezeptor-Agonisten also drei- bis vierfach höher als mit Placebo.

Das Ziel, den Nikotinkonsum innerhalb eines Monats um mindestens 50 Prozent zu reduzieren, schafften immerhin 47 Prozent der Patienten mit Vareniclin und noch 31 Prozent derjenigen mit Placebo.

Nach acht Wochen hatten es 26 Prozent in der Gruppe mit dem Entwöhnungsmittel geschafft, den Konsum um drei Viertel einzuschränken, lediglich 15 Prozent gelang dies mit Placebo.

Übelkeit als häufige Nebenwirkung

Rund 28 Prozent der Teilnehmer mit Vareniclin berichteten über Übelkeit, nur 9 Prozentwaren es in der Gruppe mit Placebo.

Auch Erbrechen, Verstopfung, Insomnie und eine Gewichtszunahme wurden mit dem Entwöhnungsmittel signifikant häufiger beobachtet als mit Placebo, diese Beschwerden traten insgesamt aber relativ selten auf.

Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden bei 3,7 Prozent der Patienten mit Vareniclin und bei 2,2 Prozent mit Placebo beobachtet, Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen stellten die Studienärzte in beiden Gruppen ähnlich häufig fest (bei 8,4 und 7,0 Prozent).

Für die Psychiater um Ebbert sind die Ergebnisse der Studie ein Beleg dafür, dass auch denjenigen Rauchern eine Entwöhnung gelingt, die nicht willens oder in der Lage sind, abrupt mit dem Rauchen aufzuhören - wie dies in Leitlinien gefordert wird.

Die Medikamenten-unterstützte Entwöhnung könnte daher für eine große Gruppe von Rauchern eine attraktive Option sein.

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