DAS SAGEN KRITIKER DES IQWIG-VORBERICHTS

Wichtige Kriterien für Erfolg bei der Therapie sind unbeachtet

Als "pseudoobjektiv" bezeichnet Professor Hermann Haller, Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga, die vorläufige Nutzenbewertung des IQWiG zu Antihypertensiva. Die Auswahl der dazu verwendeten Studien sei sehr artifiziell und berücksichtige für eine erfolgreiche präventive Therapie wichtige Kriterien wie subjektive Verträglichkeit nicht ausreichend.

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Die Bewertung der Antihypertensiva durch das Kölner Institut halte den Anforderungen in der täglichen Praxis keineswegs stand, sagte Haller der "Ärzte Zeitung". So habe das Kölner Institut nicht beachtet, wie gut die Compliance der Patienten mit den fünf untersuchten Wirkstoffgruppen ist. Außerdem: Ganz wichtig für die Compliance sei die subjektive Verträglichkeit eines Medikamentes. Genau dieser Parameter ist nach Ansicht des Hochdruckforschers von der Medizinischen Hochschule Hannover aber bei der Bewertung des IQWiG kaum berücksichtigt worden.

Haller: "Was nützt es, wenn ein Patient unter einer Beta-Blocker-Therapie zwar ein geringes Sterberisiko hat, er das Mittel aber nicht regelmäßig oder gar nicht einnimmt, weil er dadurch Potenzprobleme bekommt?" Gerade bei einer präventiven Behandlung wie der Hochdrucktherapie sei die subjektive Verträglichkeit das A und O.

Nicht verständlich ist für den Kollegen außerdem die Bewertung des Diabetes-Risikos von Antihypertensiva. So habe die Analyse des Institutes zwar ergeben, dass bei einer Therapie mit Diuretika die Blutzuckerwerte und die Rate der Diabetes-Manifestationen höher seien als mit anderen Antihypertensiva. Dennoch komme das Institut zu der Schlussfolgerung, dass Thiazid-Diuretika und Chlortalidon die Medikamente mit dem am besten belegten Nutzen seien. Das Diabetes-Risiko dieser Wirkstoffgruppe sei dabei nicht ausreichend berücksichtigt, kritisiert Haller.

Und noch etwas Wichtiges habe das Kölner Institut bei seiner Bewertung außer acht gelassen, sagt der Hochdruckforscher. Das neue Gesundheitsreformgesetz schreibe bei einer Nutzenbewertung wie der des IQWiG auch eine ökonomische Betrachtung zwingend vor.

Dies sei bei der Bewertung der Antihypertensiva aber nicht geschehen. Haller: "Was nützt es, wenn ich einem Hypertoniker ein kostengünstiges und bei guter Compliance auch effektives Antihypertensivum verschreibe, dieser das Medikament wegen mangelnder Verträglichkeit aber nicht einnimmt und dann einen Schlaganfall erleidet? Bei einem solchen Patienten kann die Behandlung mit einem etwas teureren, aber subjektiv besser verträglichen und daher regelmäßig eingenommenen Medikament letztlich doch die kostengünstigere Therapie sein." Denn: Bessere Verträglichkeit bedeute bessere Compliance, das sei in Studien nachgewiesen.

Scharfe Kritik am IQWiG-Vorbericht übt auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Es seien nur wenige Studien in die Bewertung der Antihypertensiva einbezogen worden, und die ärztliche Erfahrung sei komplett ignoriert worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch die Patientenperspektive bleibe außen vor. So seien Fragen der Compliance und der Therapiezufriedenheit nicht berücksichtigt worden. (ikr)

Lesen Sie dazu auch den Gastbeitrag: "Der IQWiG-Bericht ist ein Signal in die falsche Richtung und ein Rückschritt in die Zweiklassen-Medizin"

Lesen Sie dazu auch: Das sagt das Institut IQWiG: Für Diuretika ist der Nutzen am besten belegt

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Was Sie über das IQWiG wissen sollten: Nach welchen Methoden das IQWiG Berichte erstellt Die Zusammenarbeit GBA-IQWiG gilt als intransparent Vorbericht: Keine juristischen Folgen

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