Corona-Splitter der KW 15/2021

Hirnvenenthrombosen: Risiko nach Infektion deutlich größer als nach Impfung

Bei COVID-19 eine Hirnvenenthrombose zu bekommen, ist ungleich wahrscheinlicher als nach Corona-Impfung. Zudem sind junge Menschen nach überstandener COVID-19 nicht vollständig vor erneuter Infektion geschützt. Um Reinfektionen zu vermeiden und die Transmission zu verringern, sollten unbedingt auch junge Menschen geimpft werden, empfehlen US-Forscher.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel und Marco MrusekMarco Mrusek Veröffentlicht:
Hirnvenenthrombose: Das Risiko, daran zu erkranken, ist in den ersten zwei Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 laut einer Studie etwa 100-mal so hoch wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung.

Das Risiko, an einer Hirnvenenthrombose zu erkranken, ist in den ersten zwei Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 laut einer Studie etwa 100-mal so hoch wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung.

© Matthieu / stock.adobe.com

Update vom 16. April

Das Risiko für Hirnvenenthrombosen ist bei COVID-19 größer als nach einer Corona-Impfung. Das ist das Ergebnis einer noch nicht veröffentlichten retrospektiven Kohortenstudie von Wissenschaftlern der Universität von Oxford. Die Forscher haben Daten von 513.284 Patienten mit bestätigter COVID-19 ausgewertet sowie von 489.871 Personen, die mit einer mRNA-Vakzine gegen COVID-19 geimpft worden waren. Ergebnis: Das Risiko, an einer Hirnvenenthrombose zu erkranken, ist in den ersten zwei Wochen nach einer COVID-19-Diagnose etwa zehnmal so hoch wie nach der ersten Dosis einer Impfung mit den mRNA-Vakzinen von BioNTech oder Moderna und etwa 100-mal so hoch wie in der gesunden Allgemeinbevölkerung. Die Forscher geben die Inzidenzen der Hirnvenenthrombose wie folgt an: 39 pro eine Million COVID-19-Patienten, darunter 30 Prozent bei Unter-30-Jährigen; vier pro eine Million Impflingen mit mRNA-Vakzine sowie nach Daten aus dem jüngsten EMA-Bericht fünf pro eine Million Impflinge mit dem AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria® (Pre-Print-Studie auf OSF; veröffentlicht am 15. April).

Vorangegangene COVID-19-Infektionen schützen junge Menschen nicht vollständig vor einer erneuten Infektion. Das belegt jetzt eine Beobachtungsstudie mit Mitgliedern (18-20 Jahre alt) des US Marines Corps. Von den 2346 Marines, deren Daten ausgewertet wurden, waren zu Beginn der Studie 189 seropositiv und 2247 seronegativ. Insgesamt infizierten sich während der Studie 1098 Teilnehmende (45 Prozent) neu. Unter den seropositiven Marines wurden 19 (10 Prozent) positiv auf eine zweite Infektion getestet, von den seronegativen wurden 1079 (48 Prozent) neu infiziert. Die meisten der Neu-Infizierten waren asymptomatisch – 84 Prozent (16 von 19) in der seropositiven Gruppe versus 68 Prozent (732 von 1079) in der seronegativen Gruppe – oder hatten milde Symptome, niemand musste ins Krankenhaus.

Das Fazit der Autoren: Trotz früherer Infektionen und des Vorhandenseins von Antikörpern sei immer noch eine Impfung erforderlich, um die Immunantwort zu stärken, eine erneute Infektion zu verhindern und um eine Übertragung zu verringern (Lancet Respiratory Medicine, online 15. April). (otc)

Update vom 15. April

Die Konzentration neutralisierender Antikörper gegen SARS-CoV-2 nimmt nach vier bis fünf Monaten nach einer Infektion bereits deutlich ab. Das bestätigt die weiterhin laufende Rheinland-Studie. In der bevölkerungsbezogenen Erhebung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) im Raum Bonn wurden rund 5300 Teilnehmer auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersucht, bei 82 Personen wurden im ELISA-Test Antikörper gegen SARS-CoV-2 festgestellt, 17 von ihnen hatten neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet. Die Mehrheit der Corona-positiv getesteten Teilnehmer berichtete von zuvor nur milden oder keinen Symptomen. Die Konzentration der neutralisierenden Antikörper wurde nach vier bis fünf Monaten erneut analysiert. Dabei stellte sich heraus, dass bei den meisten Teilnehmern der Antikörper-Spiegel gesunken war; bei vier Personen konnten sogar keine neutralisierenden Antikörper mehr nachgewiesen werden. Aus den Studiendaten lasse sich aber nicht ableiten, inwieweit die Abnahme der Antikörper die Immunantwort beeinflusst, wird Erstautor Dr. Ahmad Aziz vom DZNE in einer Mitteilung des Zentrums zitiert. Das Immunsystem hat bekanntlich weitere Möglichkeiten, Krankheitserreger abzuwehren. So deuteten andere Studien darauf hin, dass die zelluläre Immunantwort trotz fallender Antikörper-Spiegel weiterhin Bestand haben kann (Nature Comm 2021; online 9. April). (otc)

Update vom 14. April

Homeoffice, Homeschooling, weniger soziale Kontakte. Das übersetzt sich offenbar nicht in eine höhere Suizidrate. Ganz im Gegenteil, es begehen sogar weniger Menschen Suizid als in anderen Jahren. Das ist das Ergebnis einer globalen Analyse, für die Forscher von der Universität in Melbourne Angaben zu Suiziden aus 21 Industrie- und Schwellenländern untersucht haben. Vertreten waren 16 Länder mit hohem und fünf mit mittlerem Einkommen. Deutschland ist mit den Regionen Köln/Leverkusen, Frankfurt am Main und Leipzig vertreten. Trotz aller Schwierigkeiten durch die Pandemie kam es in den Industrie- und Schwellenländern zunächst zu keinem Anstieg der Suizidrate. Beobachtet wurde eher das Gegenteil: In der Hälfte der untersuchten Länder ist die Suizidrate zwischen April und Juli 2020 im Vergleich zu den Vorjahren gesunken. Experten gehen davon aus, dass etwa staatliche Nothilfen die schlimmsten wirtschaftlichen Auswirkungen abgefedert haben. Die Studienautoren warnen aber vor verfrühten Schlussfolgerungen: Zum einen bezieht sich ihre Analyse nur auf die ersten Pandemiemonate. Zum anderen gebe es Hinweise, nach denen in ärmeren Ländern die Suizidrate deutlich gestiegen ist (Lancet Psychiatry 2021; online 13. April). (mut)

SARS-CoV-2-spezifische Antikörper haben israelische Forscher in der Muttermilch von stillenden Frauen nach COVID-19-Impfung nachgewiesen. Untersucht wurde die Muttermilch von 84 Frauen im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie. Die Frauen waren im Mittel 34 Jahre und die Kinder 10,3 Monate alt. Alle Studienteilnehmerinnen erhielten zwei Dosen des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs Comirnaty® im Abstand von drei Wochen. Muttermilch-Proben waren bereits vor der Impfung gesammelt worden und dann beginnend ab Woche 2 nach der ersten Impfung einmal wöchentlich über einen Zeitraum von sechs Wochen. In den Muttermilch-Proben wurden die SARS-CoV-2-spezifischen IgG- und IgA-Antikörper bestimmt. Ergebnis: Die mittleren Titer der Anti-SARS-CoV-2-spezifischen IgA-Antikörper in der Muttermilch stiegen rasch an. Bereits zwei Wochen nach der ersten Impfung galten 61,8 Prozent der Proben als positiv, nach vier Wochen (also eine Woche nach der zweiten Impfung) waren es 86,1 Prozent. Die durchschnittlichen Antikörper-Titer blieben während der gesamten Studiendauer hoch. Die Anti-SARS-CoV-2-spezifischen IgG-Antikörper blieben in den ersten drei Wochen zwar niedrig, stiegen aber bis zur Woche 4. Zu diesem Zeitpunkt waren dann 91,7 Prozent der Muttermilch-Proben positiv und 97 Prozent in den Wochen 5 und 6. Keine Mutter und kein Kind erlitten schwere unerwünschte Wirkungen (JAMA 2021; online 12. April. (ikr)

Die TiKoCo19-Studie hat im Landkreis Tirschenreuth bis Juni 2020 eine SARS-CoV-2-Infektionssterblichkeit (IFR) von 2,5 Prozent ergeben – bei einer Dunkelziffer der Infizierten vom Faktor 5. Dieses Zwischenergebnis der Studie „Prospektive COVID-19-Kohorte Tirschenreuth“ hat das Uniklinikum Regensburg (UKR) jetzt mitgeteilt. In der Studie wird in einer zufälligen populationsbasierten Stichprobe der Anteil der Infizierten in der Bevölkerung des Landkreises Tirschenreuth durch eine Seroprävalenz-Untersuchung ermittelt. Jetzt liegen finale Ergebnisse der Basisuntersuchung aus dem Juli 2020 vor. Mehr als 4200 Freiwillige nahmen an der Studie teil. Die Auswertung der Studiendaten und Hochrechnung von der Zufallsstichprobe auf die Bevölkerung 14 Jahre und älter ergab, dass 8,6 Prozent der Tirschenreuther Bevölkerung im Juni 2020 Antikörper gegen das SARS-CoV-2 aufwiesen. Das Verhältnis der Antikörper-positiven Personen, bei denen die SARS-CoV-2 Infektion nicht bereits durch das damalige Testen registriert worden war, zu denen mit durch Antikörper in dieser Studie nachgewiesener Infektion lag bei 4:1. Mit anderen Worten: die Dunkelziffer von Faktor 5 bedeutet, dass 80 Prozent aller Infektionen durch die damalige Teststrategie nicht erfasst wurden (MedRxiv 2021; online 4.April). (ikr)

Update vom 13. April

Die britische SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 ist zwei Beobachtungsstudien zufolge zwar infektiöser als die ursprüngliche Virusvariante, führt aber nicht häufiger zu schweren oder gar tödlichen Verläufen. Auch das Risiko für Long-COVID-19-Symptome ist demnach bei B.1.1.7 nicht höher. In der ersten Studie verglichen britische Forscher die Krankheitsschwere sowie die Viruslast von 198 COVID-19-Patienten, die mit B.1.1.7 infiziert waren, und 143 COVID-19-Patienten, die sich mit anderen SARS-CoV-2-Varianten angesteckt hatten. Im Bezug sowohl auf Krankheitsschwere als auch Mortalität ergab sich kein signifikanter Unterschied. Allerdings zeigte sich in den PCR-Analysen, dass die Viruslast in Proben von Patienten, die mit B.1.1.7 infiziert waren, höher war als in Proben von Patienten, die nicht mit der B.1.1.7-Variante infiziert waren. In der zweiten Studie werteten die Wissenschaftler Daten der „COVID Symptom Study App“ aus, die vom National Health Service herausgegeben wird. App-Nutzer können hier nach positiver Testung ihre Symptome dokumentieren. Auch hier zeigte die Auswertung keine Unterschiede im Bezug auf Schwere der Symptome und Symptomdauer bei der B.1.1.7-Variante. Ein weiteres Ergebnis: Die B.1.1.7-Variante erhöht wohl nicht das Risiko für eine Reinfektion (Lancet Inf Dis und Lancet Public Health 2021; online 12. April).

Mit einer inhalativen Budesonid-Therapie ließ sich bei Patienten mit nur leichten COVID-19-Symptomen das Risiko für schwere Verläufe verringern im Vergleich zur Standardbehandlung. Das hat eine klinische Phase-2-Studie mit mehr als 140 Patienten ergeben, die seit durchschnittlich drei Tagen an leichten Symptomen wie Husten, Kopfschmerzen oder Fieber litten. Zwei Hübe Budesonid morgens und zwei abends (je 800 μg) bis zum Rückgang der Symptome verringerten das Risiko für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion um 90 Prozent. In der Standard-Gruppe mussten der Per-Protokoll-Analyse zufolge zehn Erkrankte aufgrund von heftiger werdenden Beschwerden eine Notfallambulanz aufsuchen oder stationär aufgenommen werden, in der Budesonid-Gruppe nur ein Patient. Auch die Krankheitsdauer bei milden Verläufen könnte das Mittel um einen Tag verkürzen, wie die Forscher um Sanjay Ramakrishnan von der Universitätsklinik in Oxford berichten (Lancet 2021; online 9. April).

Update vom 12. April

Die Gabe von Remdesivir bei hospitalisierten COVID-19-Patienten war in einer retrospektiven Studie aus den USA mit einer beschleunigten Genesung assoziiert: Bei den 285 Patienten, die Remdesivir erhielten, vergingen im Mittel fünf Tage bis zur klinischen Symptombesserung (definiert als Zeit bis zur Entlassung oder bis zur Besserung zweier im WHO-Score der Krankheitsschwere erfassten Symptome). Bei Patienten, die kein Remdesivir erhielten, waren es sieben Tage. Als sekundärer Endpunkt wurde zudem untersucht, inwieweit Remdesivir Einfluss auf die 28-Tages-Mortalität hat. Hier zeigte sich allerdings kein statistisch signifikanter Unterschied. Die Studienteilnehmer, die Remdesivir erhielten, erfüllten folgende Kriterien: Sauerstoffsättigung im Blut≤ 94 Prozent sowie zusätzliche Sauerstoffgabe / mechanische Beatmung / ECMO und zudem ein Alanin-Aminotransferase-Wert, der deutlich unter dem Referenzwert liegt (JAMA Netw Open 2021; online 24. März).

In hochauflösenden Cryo-EM-Aufnahmen (cryo-electron microscopy) zeigen Forscher erstmals menschliche Zellen, die nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff Oberflächenproteine bilden, die dem Spike-Protein von SARS-CoV-2 zum Verwechseln ähnlich sind. Auch die Glykane, die das Oberflächenprotein ummanteln, ähneln denen des Spike-Proteins stark. „Das bedeutet, dass die Vakzine die Bildung eines nahezu identischen Spike-Proteins induziert – und das ist wichtig, um eine schützende Immunantwort zu induzieren“, heißt es in einer Mitteilung der University of Southampton, die außer der Oxford University an der Studie beteiligt war. Die Vakzine basiert bekanntlich auf einem Chimpansen-Adenovirus, der die Bauanleitung für das virale S-Protein enthält und diese in die Körperzellen transportiert. Die Körperzellen exprimieren anschließend das S-Protein auf ihrer Oberfläche – und der Körper entwickelt eine Immunantwort dagegen (ACS Central Science 2021; online 2. April)

Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier:

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