Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021

COVID-19 und Kinder – die Bilanz der Pädiater

Auf dem Kinder- und Jugendärztekongress beschäftigen sich die Pädiater mit den Auswirkungen der Pandemie auf ihre Patienten. Ein STIKO-Mitglied verteidigte währenddessen die Impfempfehlung für Kinder.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Nach einem zweimonatigen Lockdown im Februar erhalten Kinder Karten, mit sie ihre Gefühlslage ausdrücken können.

Nach einem zweimonatigen Lockdown im Februar erhalten Kinder Karten, mit sie ihre Gefühlslage ausdrücken können.

© Sebastian Gollnow/picture alliance/dpa

Berlin. Vor der Corona-Pandemie Anfang 2020 war jedes fünfte Kind in Deutschland psychisch auffällig. Nach dem zweiten Lockdown Anfang 2021 gilt bereits jedes dritte Kinder als psychisch belastet. Besonders betroffen sind Kinder mit Migrationsgeschichte, niedrigem Bildungsniveau, aus beengten Lebensräumen sowie Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen.

Dies ist das Fazit von Anne Kaman, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf, die an der ersten bundesweiten Studie zu pandemiebedingten Auswirkungen der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Copsy-Studie) beteiligt war. Kaman präsentierte am Donnerstag zum Auftakt des bundesweiten Kongresses für Kinder- und Jugendmedizin neue Ergebnisse von sechs großen wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Pädiatrie in Berlin.

Aufschlussreiche Copsy-Studie

An der Studie hatten in der ersten Welle im Mai und Juni 2020 rund 1500 Eltern sowie 1000 Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren und in der zweiten Welle im Januar 2021 noch einmal 1625 Eltern sowie 1077 Kinder teilgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere generalisierende Ängste nach der zweiten Welle (30 Prozent) im Vergleich zur ersten Welle (24 Prozent) und im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie (15 Prozent) signifikant häufiger auftreten. Und auch die Lebensqualität der Kinder hat sich im Laufe der Pandemie für sieben von zehn Kindern (vor der Pandemie drei von zehn Kindern) deutlich verschlechtert.

Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass sich für 40 Prozent der Kinder das Verhältnis zu ihren Freunden gelitten hat. Dies wirkt sich auch auf die Familien aus. Ein Drittel der Eltern meinen, dass zu Hause Streitigkeiten häufiger eskalieren als vor der Pandemie. Kaman forderte in Berlin mehr „Unterstützung im sozialen Raum“ insbesondere für die stark belasteten Familien. Um das zu erreichen, sollten dauerhaft KiTas und Schulen geöffnet bleiben und die Schulsozialarbeit „unbedingt flächendeckend“ ausgebaut werden.

Die STIKO-Empfehlung ist nicht auf Zuruf der Politik erfolgt, sondern nach rein wissenschaftlicher Datenlage.

Professor Rüdiger von Kries, Mitglied der Ständigen Impfkommission

Auch wenn nicht alle psychische Auffälligkeiten manifest würden, sollte die Copsy-Studie über eine längere Zeit fortgeführt werden, um auch Aussagen über die längerfristigen Folgen treffen zu können, forderte sie.

Die Erkenntnislage zu Long-COVID sei derzeit sehr dünn, sagte die Pädiaterin Professor Uta Behrends von der TU München. Ihren Angaben zufolge würden rund zehn Prozent der Kinder an Long-COVID (manifest krank auch vier Wochen nach Ausbruch) und rund drei Prozent der Kinder an Post-COVID (manifest krank noch nach drei Monaten) leiden. 0,1 bis 0,5 Prozent der Kinder erkranken dabei an der Myeolitischen Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom. Dies seien zwar relativ wenige Kinder, doch ist deren Lebensqualität und Lebenserwartung noch niedriger als bei Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen.

Schwierige STIKO-Entscheidung

Gerade, um diese schweren Erkrankungen zu verhindern, habe sich die Ständige Impfkommission (STIKO) im September durchgerungen, die Impfungen für 12- bis 17-jährige nun doch zu empfehlen, erläuterte STIKO-Mitglied Professor Rüdiger von Kries. Dies sei eben nicht – wie oft behauptet – auf „Zuruf der Politik“ oder aufgrund des „Rechts auf Bildung von Kindern“, sondern rein nach wissenschaftlicher Datenlage erfolgt.

Diese weise derzeit einen „geringen Vorteil der Impfung“ im Vergleich zum Verzicht auf die Impfung aus. Das COVID-Risiko ist für Kinder laut von Kries aber nicht „gigantisch hoch“. Von 1000 infizierten Kindern musste nach Erhebungen bis Mai 2021 lediglich ein Kind stationär versorgt werden. Insgesamt sind bislang vier Todesfälle aufgetreten.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sie fragen – Experten antworten

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

Bestellung von Impfstoffen

Impfvereinbarungen: Beschleunigung endlich in Sichtweite

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Thomas Fuchs 10.10.202120:48 Uhr

Zitat aus dem Artikel: "... Professor Uta Behrends von der TU München. Ihren Angaben zufolge würden rund zehn Prozent der Kinder an Long-COVID (manifest krank auch vier Wochen nach Ausbruch) und rund drei Prozent der Kinder an Post-COVID (manifest krank noch nach drei Monaten) leiden. 0,1 bis 0,5 Prozent der Kinder erkranken dabei an der Myeolitischen Encephalomyelitis/chronisches Fatigue-Syndrom. Dies seien zwar relativ wenige Kinder, doch ist deren Lebensqualität und Lebenserwartung noch niedriger als bei Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen."
Bei 10,74 Mio. Kindern unter 14 Jahren in Deutschland (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1253/umfrage/anzahl-der-kinder-bis-14-jahre-in-deutschland-seit-dem-jahr-1950/) entspricht das - nur für das CFS - einer Betroffenenzahl von 10.740 bis 53.700 Kindern (0,1-0,5 %). Dass das "wenig" genannt wird, macht mich fassungslos. Das ist im Mittel etwa ein Drittel der aktuellen Sterbezahl an CoViD19 (94.027 Tote, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104173/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland-nach-geschlecht/). Sind das dann auch wenige?
Die Stellungsnahmen führender Vertreter:innen der medizinischen Fachgesellschaften, auch und insbesondere der pädiatrischen, sind m.E. eine Verhöhnung und Entwertung unserer jungen Generationen und deren Familien. Ist man zwar aus der Politik längst gewohnt, aber wenn nun auch die unmittelbar Verantwortlichen für Kindergesundheit zehn- bis fünzigtausend Kinder (nur die Schwerstbetroffenen!!!) abtun als "Peanuts", dann sind diese Menschen offensichtlich nicht mehr richtig in ihrem Beruf.

Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Studie VISION-DMD: motorische Funktion TTSTAND-Geschwindigkeit unter Vamorolon 6mg/kg/Tag im Vergleich zu Placebo (erstellt nach [13])

© [M] Springer Medizin Verlag GmbH; Santhera Germany GmbH

Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie mit Kortikosteroiden über alle Altersstufen

Grundlagen und Real-World-Erfahrungen mit Vamorolon

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Santhera Germany GmbH, München
Tab. 1: Empfohlene Anfangsdosierungen von Ruxolitinib bei akuter und chronischer GvHD in Abhängigkeit vom Alter

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [5, 6]

Graft-versus-Host-Erkrankung

JAK1/2-Hemmung jetzt für Kinder unter zwölf Jahren und in neuer Darreichungsform möglich

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Abb. 1: Patienten mit DMD profitierten von einer über 24-wöchigen Vamorolon-Therapie im Vergleich zu einer Therapie mit Prednison in Bezug auf das Längenwachstum

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [14]

Duchenne-Muskeldystrophie (DMD)

Erstes dissoziatives Kortikosteroid zugelassen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Santhera (Germany) GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sichere Therapie

Gicht: Wer bekommt gefährliche Allopurinol-Nebenwirkungen?

Lesetipps
RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

© Porträt: Antje Boysen / DEGAM | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

Mann greift sich an die Brust.

© andranik123 / stock.adobe.com

BAM-Kongress 2025

Brustschmerz in der Hausarztpraxis: Was tun?