Schmerzkranke oft allein gelassen

Bei der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen gibt es noch Defizite: Rund 40 Prozent aller Patienten mit chronischen Schmerzen in Deutschland sind nicht in ärztlicher Behandlung.

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Der Weg zum Schmerztherapeuten ist oft weit.

Der Weg zum Schmerztherapeuten ist oft weit.

© abrice M. / panthermedia.net

HAMBURG (eb). In der Öffentlichkeit wird chronischer Schmerz häufig nicht als eigenständiges Krankheitsbild wahrgenommen, teilt die Initiative "Wege aus dem Schmerz" mit. Dabei ist Schmerz eine komplexe Erkrankung, die von Anfang an gezielt behandelt werden muss.

Viele werden überhaupt nicht therapiert

Von rund zwölf Millionen Deutschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, werden allerdings viele überhaupt nicht therapiert - rund 40 Prozent insgesamt.

Dies ist das Ergebnis einer forsa-Umfrage bei 1822 Schmerzpatienten im Auftrag der Initiative "Wege aus dem Schmerz". Befragt wurden Patienten, die bereits seit sechs Monaten oder länger unter andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen leiden.

Zusatzbezeichnung "Schmerztherapeut" bei Ärzten

Frauen befinden sich etwas häufiger in Behandlung (68 Prozent) als Männer (56 Prozent) und ältere Betroffene (78 Prozent) häufiger als junge (38 Prozent), wie die Initiative mitgeteilt hat. Mehr als zwei Drittel aller Patienten, die in Behandlung sind, gehen zu ihrem Hausarzt.

Danach befragt, ob ihr Arzt die Zusatzbezeichnung "Schmerztherapeut" trägt, antworteten 71 Prozent mit "Nein".

Die Ergebnisse bestätigen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Versorgungssituation hierzulande. "Ärzte brauchen eine bessere Ausbildung und einen vereinfachten Zugang zu Fortbildungsangeboten, um das vielschichtige Krankheitsbild chronischer Schmerz therapieren zu können.

Schmerztherapie als Pflichtbestandteil des Medizinstudiums

Dafür muss Schmerztherapie als Pflichtbestandteil des Medizinstudiums und als eigenes Fachgebiet definiert werden", wird Professor Rolf-Detlef Treede, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und Professor für Neurophysiologie am Centrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim in der Mitteilung zitiert.

Schmerzexperten empfehlen eine sogenannte multimodale Therapie zur effektiven Behandlung. Sie besteht aus den vier Säulen medizinische Therapie, zum Beispiel minimal-invasive Op, medikamentöse Behandlung, Physiotherapie und Psychotherapie.

Aber in der Praxis würden die Patienten nur selten multimodal behandelt, so die Initiative. Beispielsweise besuchten lediglich sechs Prozent der Betroffenen regelmäßig einen Psychiater oder Psychotherapeuten.

Lange Wartezeit auf ersten Termin

Weiterhin zeigt die Umfrage, dass die Zahl an Schmerztherapeuten nicht ausreicht, um eine flächendeckend angemessene Behandlung zu gewährleisten. Häufig müssen die Patienten sehr lange auf den ersten Termin bei einem Spezialisten warten - 35 Prozent warteten zwischen einem und sechs Monaten. Hinzu kommen lange Anfahrtswege, besonders in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands.

Derzeit stehen den Schmerzpatienten in Deutschland nur etwa 500 bis 600 schmerztherapeutische Einrichtungen zur Verfügung. Experten der Fachgesellschaften schätzen den Bedarf hingegen auf rund 3.000 Einrichtungen.

Anzahl der Schmerztherapeuten rückläufig

"Erschwerend kommt hinzu, dass die Anzahl der Schmerztherapeuten sogar rückläufig ist, da die notwendigen Strukturen und Prozesse für eine individuelle, multimodale Therapie in unserem Gesundheitssystem derzeit weder gegeben sind noch vergütet werden", wird Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS), in der Mitteilung der Initiative "Wege aus dem Schmerz" zitiert.

Neben der schlechten Versorgungssituation bei chronischen Schmerzen kommen für die betroffenen Patienten darüber hinaus auch noch Probleme am Arbeitsplatz und im privaten Umfeld hinzu: So beklagen 41 Prozent aller fest angestellten Patienten mit chronischen Schmerzen, dass ihr Arbeitgeber kein oder nur wenig Verständnis für ihre Erkrankung hat.

26 Prozent der Patienten fühlen sich allein gelassen

26 Prozent der Patienten fühlen sich bei der Therapie und der Suche nach Behandlungsmöglichkeiten ihrer Erkrankung von Familie und Freunden allein gelassen.

"Wege aus dem Schmerz" ist eine Initiative der Deutschen Schmerzliga (DSL), der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) und der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS). Ziel der von Pfizer unterstützten Initiative ist es, ein stärkeres Bewusstsein für chronischen Schmerz als eigenständiges Krankheitsbild in Deutschland zu etablieren: www.wegeausdemschmerz.de

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