Atypische Verläufe

Bei gastrointestinalen Symptomen auch an SARS-CoV-2 denken!

Ein Teil der COVID-19-Kranken kommt ohne typische Symptome wie Husten und Atemnot, dafür mit gastrointestinalen und neurologischen Problemen in die Notaufnahme. Bei der CT wird dann zufällig eine Pneumonie festgestellt – oft mit ungünstiger Prognose.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:
CT-Scan der Lunge eines französischen Patienten mit COVID-19.

CT-Scan der Lunge eines französischen Patienten mit COVID-19.

© Michael Bunel/Le Pictorium Agency/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie häufig wird COVID-19 als Zufallsbefund bei CT-Aufnahmen erkannt?

Antwort: In Epidemie-Hotspots ist rund die Hälfte der Patienten in der Notaufnahme mit zufällig entdeckten Lungenauffälligkeiten SARS-CoV-2-positiv.

Bedeutung: Kommen Patienten primär aufgrund gastrointestinaler oder neurologischer Beschwerden in eine Klinik, ist bei hoher SARS-CoV-2-Inzidenz auch an COVID-19 zu denken.

Einschränkung: Retrospektive Analyse aus drei Zentren.

Baltimore. In COVID-19-Hotspots ist auch bei Patienten, die primär mit gastrointestinalen oder neurologischen Symptomen in eine Klinik kommen, von einer möglichen SARS-CoV-2-Infektion auszugehen. Das raten Ärzte um Dr. Rydhwana Hossain von der Universität in Baltimore. Wird die Symptomatik per CT abgeklärt, lohnt sich daher auch der Blick auf die Lunge: Liegt eine Infektion mit dem neuen Coronavirus vor, zeigen sich dort fast immer die typischen Milchglastrübungen (Radiology 2020; online 11. Mai).

COVID-19 gibt Ärzten ja noch immer viele Rätsel auf, dazu zählen auch die sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe. Stehen bei den meisten Patienten respiratorische Symptome im Vordergrund, kann es bei anderen zu schweren Magen-Darm-Problemen oder neurologischen Erscheinungen kommen, die nicht gleich an die Virusinfektion denken lassen.

Die Ärzte um Hossain gehen aufgrund der vorhandenen Literatur davon aus, dass rund 20 Prozent der SARS-CoV-2-Infekte primär den Verdauungstrakt betreffen. Solche Patienten denken vermutlich nicht an COVID-19, gehen lange nicht zu einem Arzt und bleiben damit unentdeckt.

Ähnliches gilt für Patienten mit neurologischen Ausfällen. Müssen solche Patienten schließlich in eine Klinik, werden sie zur Abklärung häufig per CT untersucht. Ist dann die Lunge oder ein Teil davon mit auf dem Bild, sehen die Ärzte mitunter auch die für COVID-19 typischen Milchglastrübungen – sie sind dann oft der erste Anhaltspunkt für die Infektion.

46 Prozent mit auffälligen Lungenbefunden viruspositiv

Die Radiologen um Hossain haben nun geschaut, wie häufig zufällige Lungenbefunde in COVID-19-Hotspots und weniger betroffenen Regionen mit der Erkrankung einhergehen. Die Resultate sind eindeutig: In zwei Kliniken der Auswertung war zum Höhepunkt der Epidemie fast jeder zweite Patient mit zufälligen Lungenbefunden an COVID-19 erkrankt.

Die Ärzte um Hossain konzentrierten sich auf rund 2800 Patienten der Notaufnahme, die eine CT des Abdomens/Beckens oder des Halses und der zervikalen Wirbelsäule erhielten. Ausgeschlossen wurden Patienten mit gezielter Thorax-CT. Die Ärzte berücksichtigten in ihrer Analyse nur 119 Patienten mit zufällig entdeckten Lungenauffälligkeiten, die eine Pneumonie vermuten ließen und die während ihres Klinikaufenthalts positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Hierbei unterschieden sie zwischen Patienten mit einem Virustest vor der CT-Auswertung (Gruppe 1, 62 Betroffene) und solchen mit einem Test hinterher (Gruppe 2, 57 Patienten).

In Gruppe 1 befanden sich entsprechend viele Patienten mit weiteren COVID-19-Symptomen wie Husten und Fieber, bei denen die Ärzte von Beginn an einen COVID-19-Verdacht hatten, in Gruppe 2 ergab sich der Verdacht in der Regel erst durch den CT-Befund.

In beiden Gruppen klagte jeweils rund die Hälfte über Magen-Darm-Probleme, fast 30 Prozent hatten neurologische Symptome. In Gruppe 1 hatten 60 Prozent Husten und 47 Prozent Fieber, in Gruppe 2 jeweils nur 16 und 21 Prozent. Gruppe 2 zeigte insgesamt einen etwas schwereren Verlauf – 26 Prozent starben, in der anderen Gruppe 19 Prozent, signifikant waren die Unterschiede aber nur bei der Prävalenz von Husten und Fieber.

CT oft einziger Hinweis auf COVID-19

Von den viruspositiven Patienten mit auffälligen CT-Lungenbefunden in Gruppe 1 wurde schließlich bei 52 Prozent aufgrund des CT eine COVID-19-Pneumonie diagnostiziert, in Gruppe 2 erreichte der Anteil 77 Prozent. Insgesamt lieferte das CT bei mehr als einem Drittel der Patienten den einzigen Hinweis auf COVID-19. Fast alle CT zeigten typische Milchglastrübungen (96 Prozent), 40 Prozent auch Konsolidierungen. Die Hälfte der Patienten offenbarte eine milde Lungenerkrankung in der CT, etwa ein Viertel eine schwere.

Im beabsichtigten Untersuchungsbereich, also Abdomen, Becken, Hals oder Wirbelsäule, fanden die Ärzte in den allermeisten Fällen keine Auffälligkeiten, bei sieben entdeckten sie eine Enteritis oder Kolitis, drei hatten eine Pankreatitis, zwei einen Karotidenverschluss.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Nach Corona: Gesundheitsausgaben des Staates sinken wieder

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Blickdiagnose: klinisches Bild mit typischen Effloreszenzen bei Herpes zoster.

© Mumemories / Getty Images / iStock

Zoster-Impfung

Schutz vor Herpes zoster und Rezidiven

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Neuer CFTR-Modulator bei Mukoviszidose

© Springer Medizin Verlag

Neuer CFTR-Modulator bei Mukoviszidose

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Vertex Pharmaceuticals GmbH, München
Abb. 2: AIOLOS-Studie: Therapieabbrüche nach Gründen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Ofatumumab: Wachsende Evidenz stützt frühe hochwirksame Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Abb. 1: Alle Kinder hatten B-Zell-Werte im altersspezifischen Normbereich

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [5]

MS-Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit

Ocrelizumab: einfache und flexible Therapie in jeder Lebensphase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein Glasx mit Geld und einem Schloss davor.

© Deminos / Fotolia

Vertragsärztliche Abrechnung

Sieben EBM-Leistungen wandern zum Jahreswechsel ins Budget

Uwe Brock

© Tanja de Maan

Hohe Kostenbelastung

Mülheimer Hausarzt verklagt KV wegen Notdienst-Pauschale

Wann gegen Varizellen impfen nach Zoster ophthalmicus?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Wann gegen Varizellen impfen nach Zoster ophthalmicus?