Hypertonie

Optimaler Druck – optimale Nierenfunktion?

Seit der SPRINT-Studie wird über Blutdruck-Zielwerte erneut diskutiert. Hypertoniker mit hohem kardiovaskulären Risiko profitieren danach von intensiver antihypertensiver Therapie. Die Nierenfunktion wird aber nicht günstig beeinflusst.

Von Horst Gross Veröffentlicht:
Nieren und antihypertensive Therapie: Vorsicht bei niedrigen diastolischen Werten!

Nieren und antihypertensive Therapie: Vorsicht bei niedrigen diastolischen Werten!

© Sebastian Kaulitzki / Hemera / Thinkstock

BERLIN. Die Ergebnisse der aktuellen SPRINT-Studie sorgen unter Nephrologen für Verwirrung. Eine möglichst aggressive Blutdrucksenkung bleibt ohne den erhofften, günstigen Einfluss auf die renalen Verlaufsparameter. Im Gegenteil: Es kommt zur Verschlechterung des Befunds.

"Wir haben es hier mit einer wirklich qualitativ sehr hochwertigen Untersuchung zu tun", bewertet Professor Joachim Hoyer vom Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) die jüngst publizierte Studie (Hypertension 2016; 67: 701), Primär ging es zwar um die Frage, ob durch eine intensivierte Blutdruckeinstellung die Rate der kardiovaskulären Komplikationen gesenkt wird. Die sekundären Endpunkte deckten aber auch Veränderungen der Nierenfunktion mit ab (etwa GFR und Kreatinin).

Günstiger Mortalitätsverlauf

Die Teilnehmer wurden so ausgewählt, dass bei 35 Prozent anhand des Kreatininwerts von einer vorbestehenden Nierenschädigung auszugehen war. Die Zuordnung der 9360 Hypertoniker zu den systolischen Behandlungszielen erfolgte randomisiert (Standard: 135 bis 139 mm Hg; Intensiv: unter 120 mm Hg).

Bei allen Patienten bestand ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Ausgeschlossen waren aber Patienten mit Diabetes mellitus oder mit Insult in der Anamnese. Die Studie musste nach knapp fünf Jahren abgebrochen werden. Der Mortalitätsverlauf unter der intensivierten RR-Therapie zeigte einen überraschend positiven Effekt (Mortalitätsrate: Standard: 2,19 Prozent pro Jahr; Intensiv: 1,65 Prozent pro Jahr). "Völlig unerwartet ist allerdings, dass Patienten mit und ohne vorbestehende Nierenproblematik keinen Nutzeffekt durch die intensivierte Blutdrucktherapie verzeichneten", so Hoyer beim Nephrologenkongress in Berlin. Ganz im Gegenteil: Die Rate der signifikanten GFR-Abfälle war in der Gruppe der Nierengesunden deutlich erhöht (Standard: 0,35 Prozent und Jahr; Intensiv: 1,2 Prozent und Jahr). Gleichzeitig blieb die erwartete Albuminurie aus.

Vorsichtig interpretieren

"Bei den Patienten mit initialer Niereninsuffizienz dagegen hatte die Art der Blutdruckeinstellung keinen Einfluss auf die Progredienz. Sämtliche erhobenen nephrologischen Verlaufsparameter (GFR, Kreatinin, Albumin und Transplantationsrate) waren stabil. Die Gesamtheit der intensiv Therapierten verzeichnete 204 Fälle eines akuten Nierenversagens (Standardtherapie: 120 Fälle). "Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die aggressive Blutdrucksenkung eine initial intakte Niere schädigt", so Hoyer. Doch diese Interpretation lässt er nicht gelten, denn nicht jeder Kreatininanstieg signalisiert eine renale Schädigung. "Bei der endgültigen Klärung der Fragen sind wir als Fachdisziplin gefordert. Als Nephrologen müssen wir endlich einmal selbst qualitativ hochwertige Studien auf den Weg bringen", mahnte der Marburger Experte. Nur so wird Klarheit geschaffen.

Hypotoniegefährdung

Bis dahin rät Hoyer, sich bei der Blutdrucksenkung an einem Zielkorridor von 120 bis 140 mm Hg zu orientieren. Bei initial niedrigen diastolischen Werten ist Vorsicht angesagt. Dies gilt auch für Diabetiker mit Polyneuropathie. Beide Gruppen sind besonders hypotoniegefährdet.

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