Sichere Arzneien für Kinder durch Simulationen

DÜSSELDORF (hbr). Seit Januar 2007 müssen neue Arzneimittel, von denen Kinder und Jugendliche profitieren könnten, auch klinische Studien durchlaufen, in denen sie bei Kindern geprüft werden. Simulationsverfahren in Computermodellen sollen helfen, die dafür nötige Probandenzahl klein zu halten.

Veröffentlicht:

Hintergrund der Pflicht zu klinischen Studien mit Kindern ist das für Kinder höhere Risiko von unerwünschten Effekten und Unwirksamkeit verfügbarer Arzneien. Denn nur für die wenigsten Medikamente existieren Studien mit Kindern. Gründe dafür sind etwa ethische und technische Probleme. Die meisten Präparate wurden bislang nur bei Erwachsenen getestet.

Kinder dürfen aber in der Therapie nicht wie kleine Erwachsene behandelt werden. Mitarbeiter der USamerikanischen Zulassungsbehörde FDA dokumentierten bei jedem vierten von 118 Arzneimitteln bei Kindern schwere unerwünschte Effekte. Darauf hat Professor Jeffrey Barrett aus Philadelphia bei einer Veranstaltung der HEXAL-Initiative Kinderarzneimittel in Düsseldorf berichtet. Und bei jedem zweiten von 150 Präparaten habe die FDA nach genauerer Betrachtung neue Dosierungsanleitungen für die Anwendung bei Kindern verlangt, so Professor Stephanie Läer von der Uni Düsseldorf.

Das ist kein Wunder: Schließlich beschränken sich die physiologischen Unterschiede nicht auf Gewicht und Größe, sondern betreffen unter anderem auch die Metabolisierungskapazität der Leber, die renale Ausscheidungsfähigkeit und altersabhängige Differenzen von Organvolumen und Blutflussraten, so Dr. Stefan Willmann vom Unternehmen Bayer.

Präparate, die Kindern nützen, sind auch bei Kindern zu prüfen.

Zudem hätten Kinder zum Beispiel einen geringeren Anteil an Muskeln als Erwachsene. Und das Fett sei bei Kindern anders zusammengesetzt als es bei Erwachsenen der Fall ist.

Die Vorgabe, dass Pharmakotherapien auch bei Kindern geprüft werden müssen, verspricht natürlich auf der einen Seite künftig mehr Arzneimittel-Sicherheit für Kinder. Andererseits möchte man möglichst wenig Kinder den potenziellen Risiken solcher Studien aussetzen. Aus dieser Bredouille sollen moderne Simulationstechniken heraushelfen.

Mit Simulationen können komplexe Beziehungen, wie es sie etwa zwischen den Wirkungen eines Arzneistoffs auf den Körper und den erwünschten und unerwünschten Reaktionen des Körpers gibt, abgebildet werden. So werden zum Beispiel die bekannten Eigenschaften eines Präparates bei Erwachsenen mit den bei Kindern bekannten Details an physiologischen Abweichungen in einer virtuellen Studie verknüpft. Damit lassen sich nicht nur Arzneimittelrisiken besser abschätzen: Schon vor Beginn einer Studie wird dadurch eine genauere Berechnung der altersabhängigen Dosierung und ein besseres Studiendesign möglich, betont Willmann. Am Computer ließen sich zudem die einzelnen Parameter beliebig oft verändern, so Läer.

Das spart Zeit, Geld und kann die Zahl der für eine Studie erforderlichen Kinder verringern. Die HEXAL-Initiative Kinderarzneimittel will deshalb als Pilotprojekt Studien für ein Herz-Kreislauf-Medikament für Kinder auch mit Daten aus Simulationen erarbeiten, hieß es auf der Veranstaltung.

STICHWORT

Simulationen

Bei Simulationstechniken werden komplexe Systeme wie die Wirkung eines Arzneistoffs auf den Körper und die erwünschten und unerwünschten Reaktionen des Körpers auf den Arzneistoff in einem mathematischen Modell erfasst und in ihren Auswirkungen sichtbar gemacht. Bei der Entwicklung von Arzneimitteln verspricht man sich durch Simulationsverfahren einen höheren Wirkungsgrad im Entwicklungsprozess, da man zum Beispiel die Erfolg versprechenden Studien sicherer erkennen und Arzneimittelrisiken besser abschätzen kann. (eb)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sie fragen – Experten antworten

Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Wie kann man Impfskeptiker überzeugen?

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren

Ein Mann greift sich an den Fuß.

© Jan-Otto / Getty Images / iStock

Therapievergleich

Akuter Gichtanfall: Am Ende machen alle Wirkstoffe ihren Job