Dreimal häufiger als Thromboembolie

Thrombophlebitis – Alles andere als harmlos!

Sie kommt dreimal so oft vor wie eine Thromboembolie und ist keineswegs harmlos: die Thrombophlebitis. Häufig steckt eine tiefe Venenthrombose dahinter – manchmal auch ein Karzinom. Und nicht nur die Extremitäten können betroffen sein, sondern etwa auch Thorax, Hals oder Penis.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Thrombophlebitis – Alles andere als harmlos!

© Sebastian Schreiter / Springer M

"Wir müssen mit diesen Patienten viel aufmerksamer umgehen, als wir es in der Vergangenheit getan haben!" Das sagte Professor Edelgard Lindhoff-Last beim diesjährigen Praxis Update in München. Lange habe man gedacht, die Thrombophlebitis sei harmlos, so die Angiologin aus Frankfurt am Main. Tatsache ist: 18 Prozent der Thrombophlebitis-Patienten haben zugleich eine – meist asymptomatische – tiefe Venenthrombose und sieben Prozent eine Lungenembolie. Und bis zu 30 Prozent der Patienten entwickeln innerhalb von drei Monaten eine dieser Komplikationen.

Erst Entzündung, dann Thrombose

Die Thrombophlebitis ist eine oberflächliche Venenentzündung mit den typischen strangförmigen und knotigen Verhärtungen, mit Überwärmung, Schwellung und Druckschmerz. Sie betrifft meist varikös veränderte, aber auch gesunde Venen. Bei gesunden Venen folgt der Entzündung die Thrombose. Bei Varikophlebitis folgt der Thrombosierung die sekundäre Entzündung. Am häufigsten betroffen ist die Vena saphena magna mit ihren Seitenästen. "Eine Venasaphena-magna-Phlebitis medialseitig am Oberschenkel ist immer hochverdächtig darauf, nahe an der Crossenmündung zu sitzen", betonte Lindhoff-Last. Ein solcher Patient müsse zwingend zum Angiologen überwiesen werden, um eine Lungenembolie auszuschließen. Dasselbe gelte für Patienten mit Saphena-parva-Phlebitis im proximalen Unterschenkel.

Dr. Toni Silber und seine Kollegen von der Hautklinik der Universität Tübingen weisen in einem Beitrag darauf hin, dass differenzialdiagnostisch auch an ein Erysipel gedacht werden müsse, besonders bei Rötung und Überwärmung (Hautarzt 2017; 68: 595-602). Möglich seien außer einer tiefen Venenthrombose zudem ein Erythema nodosum oder die Hautmanifestation einer Lyme-Borreliose. Und: "Eine ausgeprägte Varikophlebitis oder eine primäre Thrombophlebitis bei einem über 60-Jährigen, besonders bei einem Raucher, ist eine Indikation zum Tumorscreening", so Lindhoff-Last. Rezidivierende Thrombophlebitiden an unterschiedlichen Stellen (Thrombophlebitis migrans/saltans) können Teil eines paraneoplastischen Syndroms sein, gerade bei Senioren. Thrombophlebitiden bei jungen Patienten deuten womöglich auf eine Thrombophilie hin.

Zunächst erfolgt bei klinischem Verdacht auf eine Thrombophlebitis die Kompressionssonografie. Hierbei sollen aus genannten Gründen nicht nur die oberflächlichen Venen, sondern auch die tiefen Venen des ipsilateralen Beines untersucht werden. Die Lokalisation und das Ausmaß der Thrombosierung hat Konsequenzen für die Therapieentscheidung.

"Handelt es sich um eine kleinkalibrige Seitenastvarize, ist eine Therapie mittels Kompression und lokal kühlenden Maßnahmen meist ausreichend", erklären Silber und seine Kollegen aus Tübingen. Zusätzlich könne eine antiphlogistische Therapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika oder eine Stichinzision mit Entleerung des thrombotischen Materials vorgenommen werden. Außerdem gilt: Laufen lassen, keine Bettruhe! Denn bei einem immobilisierten Patienten kann ein Thrombus appositionell bis ins tiefe Venensystem wachsen. Vorhandene Ursachen einer Thrombophlebitis wie zum Beispiel Katheter müssen entfernt werden.

Ist ein großkalibriger Varizenast betroffen oder eben die Saphena magna oder die Saphena parva, werden ab eine Thrombuslänge von 5 cm zusätzlich 2,5 mg Fondaparinux täglich für 45 Tage empfohlen. Für das direkte orale Antikoagulans Rivaroxaban ist nachgewiesen worden, dass es bei Hochrisikopatienten vergleichbar wirksam ist (Lancet Haematol 2017; 4: e105–e113), allerdings besteht bislang keine Zulassung in dieser Indikation. "Bei langstreckigem Verlauf oder einer Mündungsnähe zum tiefen Venensystem von weniger als 3 cm soll eine Antikoagulation in therapeutischer Dosierung für vier Wochen bis drei Monate erfolgen", so Silber. Ist das tiefe Venensystem involviert, wird der Patient behandelt wie bei tiefer Beinvenenthrombose.

Im symptomfreien Intervall einer Varikophlebitis wird die Sanierung der varikös veränderten Venen angestrebt, denn in dieser Phase der Erkrankung ist die Komplikationsrate vergleichsweise geringer. Manchmal werde aber auch bei frischer oberflächlicher Venenthrombose sofort operiert, um den Patienten zügig beschwerdefrei zu bekommen.

Thrombophlebitis gehört zu VTE

Wie ernst Phlebologen heute die Thrombophlebitis nehmen, zeigt die Tatsache, dass sie wegen ihres Potenzials, sich ins tiefe Venensystem fortzusetzen, dem Spektrum der venösen Thromboembolien (VTE) zugerechnet wird. Das zeigen auch die genannten Behandlungsempfehlungen.

Haupttherapieziel, außer die klinischen Beschwerden zu lindern, ist es deshalb vor allem zu verhindern, dass eine manifeste Thromboembolie resultiert (J Thromb Haemost 2015; 13: 1175-1183).

Zugleich gilt es, bestehende chronische oder Akutrisiken für tiefe Venenthrombosen abzuklären. Hauptsächlich gefährdet sind immobile Patienten, Patienten mit Malignomen, Infektionen oder Systemerkrankungen wie Morbus Behçet und Thrombangiitis obliterans. Wiederholte Injektionen oder periphere Venenkatheter können die oberflächlichen Thrombosen an den oberen Extremitäten ebenso auslösen wie manche Medikamente, etwa Kontrazeptiva. Als prädisponierende Faktoren gelten hohes Alter, Nikotinabusus, Adipositas und vorausgegangene Thromboembolien.

Und nicht nur die Extremitäten können betroffen sein, sondern auch oberflächliche Venen anderer Körperregionen, etwa des Thorax, der Bauchdecken, am Hals oder Penis (Mondor-Phlebitis). Dies ist zwar selten und die Genese ist unklar. "Allerdings wird ein Auftreten im Rahmen von Tumorerkrankungen (Mammakarzinom), lokalen Traumen oder von Thrombophilien beschrieben", berichten Silber und Kollegen.

Risiken der Thrombophlebitis

- 18 Prozent der Thrombophlebitis-Patienten haben zugleich eine – meist asymptomatische – tiefe Venenthrombose und sieben Prozent haben eine Lungenembolie.

- Bis zu 30 Prozent der Patienten entwickeln innerhalb von drei Monaten eine tiefe Venenthrombose oder eine Lungenembolie.

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