Auch Gefäße leiden

Weniger Salz kommt nicht nur dem Blutdruck zugute

Nur jeder dritte Hypertoniker profitiert davon, wenn er weniger Salz zu sich nimmt - heißt es immer wieder. Stimmt nicht, sagen jetzt Forscher: Auch wenn der Blutdruck nicht sinkt, jubilieren die Blutgefäße.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Salzzufuhr und Blutdruck - ein kontrovers diskutiertes Thema.

Salzzufuhr und Blutdruck - ein kontrovers diskutiertes Thema.

© fovito / fotolia.com

MÜNSTER. Wenn es gelinge, die tägliche Salzzufuhr von in Deutschland durchschnittlich 10 g pro Tag auf 5 bis 6 g zu verringern, wäre für die Herz-Kreislauf-Gesundheit nach Ansicht von Professor Eva Brand vom Universitätsklinikum Münster viel gewonnen.

So sinke der systolische Blutdruck durch eine solche Verringerung der Salzaufnahme im Mittel um 2 bis 8 mmHg.

"Das entspricht einer Senkung des Risikos für tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle um 7 bis 30 Prozent", so Brand bei der offiziellen Pressekonferenz anlässlich des 37. Wissenschaftlichen Jahreskongresses "Hypertonie Münster 2013" der Deutschen Hochdruckliga, der vom 12. bis 14. Dezember stattfand.

Bekanntlich reagiert aber nicht jeder Mensch auf Salzrestriktion mit Blutdrucksenkung. Nur bei etwa 25 Prozent der Normotoniker, aber immerhin bei 30 bis 50 Prozent der hypertensiven Patienten sinkt der Blutdruck, wenn weniger Salz zugeführt wird.

Die Gründe dafür verstehen die Hypertonieforscher zunehmend besser, wie Brand erläuterte: "Ein Mechanismus bei nicht salzsensitiven Menschen ist die Speicherung von Salz in Haut und Muskeln. Sie führt zu einer Aussprossung von Lymphgefäßen. Die wiederum können Flüssigkeit aufnehmen und den Blutdruck auf diese Weise niedrig halten.

Auch direkte Schädigung der Gefäße

Ohnehin hält Brand den Verweis auf die nicht salzsensitiven Menschen für kein besonders gutes Argument gegen eine Verringerung der Kochsalzaufnahme.

Salz wirke auf das Herz-Kreislauf-System nämlich nicht nur über den Blutdruck. Es schädige auch direkt die Blutgefäße: "Kochsalz wirkt am Endothel und führt dort zu einer Veränderung der Zellmechanik."

Die Konsequenz ist eine endotheliale Dysfunktion mit Verringerung der NO-Freisetzung. Mehr Salz bedeutet also mehr Atherosklerose und damit ein höheres kardiovaskuläres Risiko, ganz unabhängig vom Blutdruck.

Bei der Jahrestagung der Hochdruckliga in Münster plädierte Brand deswegen dafür, auch in Deutschland für Lebensmittel ein Ampelsystem nach britischem Vorbild einzurichten, das den Salzgehalt veranschaulicht.

Solange es das nicht gibt, empfahl die Expertin, industrielle Fertiglebensmittel zu meiden oder zu reduzieren. Eine Fertigpizza beispielsweise könne bis zu 5 g Salz enthalten - die komplette Tagesration in den Empfehlungen der Hochdruckliga.

Thema bei der Pressekonferenz war auch die viel diskutierte "Polypille". Die Kombination aus Antihypertensiva, ASS und einem Statin in einer einzigen Tablette könnte dazu beitragen, das Problem mangelnder Therapieadhärenz zu lösen.

Die Hochdruckliga ist diesem Ansatz gegenüber aufgeschlossen, hat aber noch Fragen.

Spätestens seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten UMPIRE-Studie im September 2013 ist die "Polypille" vielleicht noch nicht in aller Munde, aber doch Gegenstand vieler Diskussionen.

Die "Polypille" der UMPIRE-Studie enthielt ASS, ein Statin und zwei Antihypertensiva als Fixkombination.

Positive Wirkung auf Therapietreue

Im Ergebnis war die Therapietreue bei dieser Art der Behandlung von Bluthochdruck und kardiovaskulärem Risiko signifikant besser als bei einer freien Kombination. Dies ging einher mit einer besseren Einstellung von Blutdruck und LDL-Cholesterin (JAMA 2013; 310: 918).

Angesichts dieser Ergebnisse erwartet Professor Peter Baumgart vom Clemenshospital in Münster, dass indikationsübergreifende Fixkombinationen für kardiovaskuläre Risikopatienten bald eingeführt werden.

Er sehe das durchaus mit Interesse, sagte der Experte . So sei aus finnischen Registerdaten bekannt, dass mangelnde Therapietreue bei Hochdruckpatienten nahezu linear mit der Schlaganfallinzidenz korreliere.

"In Europa gehen wir davon aus, dass etwa neun Prozent der kardiovaskulären Ereignisse auf eine schlechte Adhärenz zurückgehen", so Baumgart.

Überstürzt eingeführt werden sollte die "Polypille" freilich nicht, waren sich die Experten einig. So sei bisher unklar, wie sich individuell unterschiedliche Dosierungsbedürfnisse mit einer "Polypille" sinnvoll adressieren lassen, sagte Kongresspräsident Dr. Siegfried Ecker vom Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen.

Während also unter Hypertonieexperten keine großen Zweifel bestehen, dass eine "Polypille" effektiv ist, sind bei der konkreten Umsetzung von Therapiestrategien mit diesem Instrument noch Fragen offen.

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