Spitzenforschung

Deutsche Forschung will mit Berliner Zellklinik hoch hinaus

Stößt die IT-gestützte Analyse von Einzelzellen das Tor zur personalisierten Medizin weiter auf, als es die Genomik je konnte? Mit der Berliner Zellklinik wollen Schwergewichte der deutschen biomedizinischen Forschung den Beweis antreten.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Die einzelnen aus dem Gewebe isolierten Zellen werden zur Analyse in miniaturisierte Chips geschleust.

Die einzelnen aus dem Gewebe isolierten Zellen werden zur Analyse in miniaturisierte Chips geschleust.

© Felix Petermann, MDC

Berlin. Genomische Biomarker haben die Krebsbehandlung bei vielen Patienten verbessert, aber sie helfen längst nicht immer. Beim fortgeschrittenen kindlichen Neuroblastom etwa gelinge nur bei wenigen Prozent der Patienten eine erfolgreiche, genetisch gezielte Therapie, sagte Professor Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie der Charité vor Journalisten Berlin: „Wir sind einfach nicht genau genug.“

Das soll sich ändern. In Berlin wird am 13. Oktober das Berlin Cell Hospital (BCH) gegründet, die „Berliner Zellklinik“. Hinter ihr stecken die Helmholtz-Gemeinschaft, das Max-Delbrück-Centrum (MDC), die Charité Berlin, das Berlin Institute of Health (BIH) und das auf Maschinenlernen und Datenanalytik spezialisierte Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data (BIFOLD).

Ziel des BCH ist es, Forschungsmethoden zu etablieren, die in den letzten Jahren für viel Furore gesorgt haben, darunter die Einzelzellbiologie und die stammzellbasierte Organoid-Forschung.

3D-Rekonstruktionen für solide Tumore

Wie das genau aussieht, lässt sich in Berlin heute schon in Augenschein nehmen. Gewebeproben werden automatisiert auf Platten mit zehntausenden Mulden verteilt, sodass in jeder Mulde exakt eine Zelle zu liegen kommt. Magnetische Kügelchen („Beads“) werden darüber ausgeschüttet. Ihre Oberflächen verfügen über molekulare Strukturen, die mRNA erkennen.

Wenn die Zellen im nächsten Schritt lysiert werden, bleiben an den Magnetkügelchen sämtliche mRNA-Moleküle der jeweiligen Einzelzelle hängen. Sie können sequenziert und mit künstlicher Intelligenz analysiert werden, sodass am Ende für tausende Zellen ganz genau bekannt ist, welche Gene zum Zeitpunkt der Gewebeentnahme aktiv waren. Mehr noch: Bei soliden Tumoren sind 3D-Rekonstruktionen denkbar, aus denen präzise hervorgeht, wie sich verschiedene Tumorregionen molekular unterscheiden.

Es sind solche Szenarien, die die Initiatoren des BCH zuversichtlich machen, dass aus dem, was in Berlin jetzt auf zunächst 10.000 Laborquadratmetern entstehen soll, mehr wird als „nur“ ein neues Forschungszentrum. Am Ende steht vielleicht eine stark individualisierte, im Extremfall sogar präventive Krebstherapie, bei der Ärzte und Ärztinnen auf problematische Gewebeveränderungen früh reagieren, statt ihnen mit der zytostatischen Keule hinterherzurennen: „Wir können mit den neuen Technologien Sachen machen, die schon Rudolf Virchow gerne machen wollte“, sagte BCH-Sprecher Professor Nikolaus Rajewsky vom MDC.

Millionenbudget vonnöten

Das gilt nicht nur für die Krebsmedizin. BCH Forscher entwickeln auch menschliche induzierte pluripotente Stammzellen zu Nervenzellen, aus denen sie kleine 3D-Modelle („Organoide“) heranzüchten, die dann per Einzelzellanalytik untersucht werden können. Wissenschaftspolitisch geht es darum, eine komplett neue Technologiegeneration an die Versorgung heranzuführen.

Helmholtz-Präsident Professor Otmar Wiestler sähe Deutschland hier gern ganz vorn dabei, zumal es dergleichen bisher auch in den USA noch nicht gebe. Der Zeitpunkt der Gründung des BCH ist natürlich kein Zufall: Ohne viel Geld wird die Einzelzellrevolution der Systembiologie nicht stattfinden. Die neue Bundesregierung kann also schon mal zuhören. Als Größenordnung für ein sinnvolles Budget gab Wiestler einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag an. Pro Jahr.

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