Abschlussbericht
Kindesmissbrauch-Skandal: Ausschuss beanstandet Vertuschungen bei Uniklinik Saarland
Mehrere Verdachtsfälle für Kindesmissbrauch am Uniklinikum des Saarlandes hat ein Ausschuss des Landtages untersucht. Sein Fazit: Es gab zahlreiche Missstände – und eine Kultur des Wegschauens.
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„Vertraulich“: Akten des Untersuchungsausschusses zu den Verdachtsfällen auf Kindesmissbrauch am Universitätsklinikum des Saarlandes im Sitzungssaal.
© Oliver Dietze/dpa
Saarbrücken. Unterlassungen, Fehlentscheidungen, Vertuschungen, Systemfehler – der Untersuchungsausschuss des saarländischen Landtags zu Verdachtsfällen des Kindesmissbrauchs am Universitätsklinikum des Saarlandes hat in seinem Abschlussbericht eine Fülle von Missständen dokumentiert.
Zu einer gemeinsamen Wertung konnten sich die Parteien allerdings nicht durchringen. Immerhin wurden inzwischen einige Verbesserungen zum Kinderschutz auf den Weg gebracht.
Über zwei Jahre versuchten die Ausschussmitglieder, Licht in die teilweise verworrenen Vorgänge an den Unikliniken in Homburg (UKS) zu bringen. Zunächst ging es nur um den Fall eines pädophilen, 2016 gestorbenen Arztes, Matthias S., der bis 2014 in der Kinder- und Jugendpsychiatrie angestellt war. Einige Monate später wurden auch Verdachtsfälle aus der HNO-Klinik in die Untersuchungen einbezogen.
Auf frühe Hinweise spät reagiert
Auf 587 Seiten kann man nun die Erkenntnisse nachlesen, die auf umfangreichem Dokumentenstudium und der Befragung von 90 Zeugen fußen. Dabei wurde deutlich, dass es schon sehr früh Hinweise auf die pädophilen Neigungen von Matthias S. gab – sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld.
Ein anonymes Schreiben 2011 führte jedoch nur zu halbherzigen Vorsichtsmaßnahmen. Erst auf Drängen von Klinik-Mitarbeitern kam es zur Anzeige und danach zu einer Hausdurchsuchung.
Homburger Uniklinik
Missbrauch-Skandal zieht Kreise
Ob der Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Stephan Kolling (CDU), schon 2014 von dem Verdacht aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie wusste, konnte im Ausschuss nicht eindeutig geklärt werden. Seine Kollegin im Justizministerium, Anke Morsch (SPD), hatte Kenntnis von den staatsanwaltlichen Ermittlungen, durfte diese aber laut einem Gutachten aus rechtlichen Gründen nicht weitergeben. Der UKS-Aufsichtsrat wiederum wurde von der Klinikleitung nicht informiert.
So erfuhren auch die Eltern der Patienten jahrelang nichts von den Vorwürfen. Bei der HNO reicht der erste Verdachtsfall ins Jahr 2012 zurück und wurde erst 2019 öffentlich bekannt. „Die Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch am UKS hätten bei einer konsequenten Aufarbeitung und einem konsequenten Einschreiten der handelnden Akteure im UKS bereits früh aufgedeckt werden müssen und weitere hätten verhindert werden können“, bilanziert die CDU-Fraktion in ihrem Fazit.
Personelle Konsequenzen fehlen
Die Ursachen für die Fehler verortet sie sowohl bei einzelnen Personen, als auch in „der hierarchischen Struktur“ des Klinikums, „wo eine Kultur des Hinschauens und eine Fehlerkultur nicht gelebt wurde, sondern im Gegenteil weggeschaut wurde“.
Die SPD sieht dies ganz ähnlich und bedauerte, dass die „Pflichtverletzungen des Vorstandes“ bislang nicht zu personellen Konsequenzen etwa für den kaufmännischen Direktor geführt hätten. Die Linke bezog in ihre Kritik ausdrücklich auch die Aufsichtsbehörden und die politische Führung mit ein und sprach von einem „Kartell des Schweigens“.
Gleichzeitig begrüßten alle Fraktionen, dass inzwischen Veränderungsprozesse eingesetzt hätten und Schutzkonzepte eingeführt wurden. Weiterführende konkrete Forderungen zielen etwa auf die Etablierung eines hauptamtlichen Opferschutzbeauftragten im Land und auf Vorkehrungen im Rahmen einer Änderung des Krankenhausgesetzes.
Kommentar zum Missbrauch-Skandal
Kultur des Hinsehens ist notwendig
Ex-Kriminaler berät UKS
Die Aufarbeitung des Skandals ist mit der Vorlage des Untersuchungsberichts noch längst nicht abgeschlossen. Die UKS hat eine eigene Kommission unter Leitung des früheren Chefs des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, eingesetzt. Im Vorstand werden nach der Berufung einer hauptamtlichen ärztlichen Klinikdirektorin weitere Konsequenzen erwartet.
Die Staatskanzlei lässt sich von einem Sonderermittler und einer Kinderschutzkommission beraten. Die Informationspflichten zwischen verschiedenen Stellen bis hin zur Ärztekammer werden überprüft, und Zivilverfahren sind noch anhängig.