Pandemie als Wendepunkt?

Norden diskutiert über Chancen der Digitalisierung

Die digitale Gesundheitsversorgung stand im Fokus einer Gesprächsrunde der AOK NordWest. Der Tenor: Potenzial ist da, aber die Chancen müssen besser genutzt werden. Positive Beispiele gibt es bereits.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Wie die digitale Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein zukünftig besser gestaltet werden kann, diskutierten in Kiel unter anderem Landesgesundheitsminister Dr. Heiner Garg (Mitte) und der AOK-Vorstandsvorsitzende Tom Ackermann (5.v.r.).

Wie die digitale Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein zukünftig besser gestaltet werden kann, diskutierten in Kiel unter anderem Landesgesundheitsminister Dr. Heiner Garg (Mitte) und der AOK-Vorstandsvorsitzende Tom Ackermann (5.v.r.).

© AOK NordWest

Kiel. Lassen sich die Chancen der Digitalisierung besser nutzen, wenn die Menschen deren Tempo und die Einsatzgebiete selbst bestimmen? Bei einer virtuellen Talkrunde der AOK Nordwest am Mittwoch machten sich insbesondere Vertreter der gastgebenden Krankenkasse für diese Richtung stark.

Digitalisierung müsse auf die Versorgung und somit auf die Versicherten ausgerichtet sein, forderte etwa der AOK-Verwaltungsratsvorsitzende Lutz Schäffer laut Pressemitteilung in der von Kiel aus geführten Talkrunde. Er warnte davor, digitale Projekte „einfach überzustülpen“.

„Wir müssen die Menschen bei diesen Veränderungen mitnehmen und erklären, dass sie selbst entscheiden dürfen, in welchem Tempo sie sich auf neue Versorgungsformen einlassen“, wird Schäffer in der Mitteilung zitiert. Er sei zuversichtlich, dass sich unter diesen Vorzeichen mithilfe der Digitalisierung Versorgungsprobleme in ländlichen und strukturschwachen Regionen lösen lassen. Er forderte alle Akteure auf, an einer patientenzentrierten und sektorenübergreifenden Versorgung mitzuarbeiten.

Schliffke: „Es mangelt an Zieldefinition“

Für Schleswig-Holsteins KV-Vorsitzende Dr. Monika Schliffke ist dieses Ziel noch nicht erreicht. „Es mangelt noch an einer Zieldefinition, die Chancen und Risiken einordnet und die es ermöglicht, Menschen nicht als allein als Datenlieferanten, sondern weiterhin als soziale Wesen zu sehen, die im Erkrankungsfall besonders schutzbedürftig sind“, sagte Schliffke.

Professor Wolfgang Greiner von der Uni Bielefeld, stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates, forderte eine neue Ausrichtung der Diskussion über Digitalisierung: „Der Datenschutz muss im Sinne eines umfassenden Patientenschutzes neu gedacht werden. Er muss insbesondere mit dem Schutz von Leben und Gesundheit abgewogen und in einen sinnvollen Einklang gebracht werden“, sagte Greiner.

Reihe positiver Beispiele

Deutlich wurde in Kiel aber auch, dass es im Norden eine Reihe von positiven Beispielen gibt, wie die Digitalisierung die Patientenversorgung schon verbessert hat. Dazu gehört u.a. das vom Innovationsfonds geförderte Projekt der Virtuellen Diabetesambulanz für Kinder und Jugendliche (ViDiKi) am UKSH. Wie berichtet, wurde damit schon vor der Pandemie die Videosprechstunde als neue Beratungsform für Kinder mit Typ 1 Diabetes erprobt. Als Folge verbesserte sich die Stoffwechsellage der Kinder, stieg die Zufriedenheit der Eltern und die Belastung sank.

In Schleswig-Holstein gibt es auch andere Fördertöpfe für solche und vergleichbare digitalen Projekte, wenn sie die Sektoren miteinander vernetzen: Den Versorgungssicherungsfonds. Für Landesgesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP), der auf diesen Fonds verwies, ist eine flächendeckende digitale Infrastruktur Voraussetzung für telemedizinische Anwendungen und für die Weiterentwicklung der sektorenverbindenden Versorgung. Er forderte „weitere Entwicklungen, um die unterschiedlichen Bereiche der Versorgung besser zu vernetzen“. Auch Schäffers Forderung nach einem forcierten Ausbau des Breitbands ging in diese Richtung.

„Unwucht“ bei Kostenfrage

Johannes Heß, ebenfalls Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Nordwest, sieht eine „Unwucht“ in der Frage, wer die Kosten für die Digitalisierung tragen sollte – bislang tun dies aus seiner Sicht nämlich hauptsächlich die GKV-Beitragszahler. Als Beispiel nannte Heß Preissteigerungen bei Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa) in einer Dimension zwischen 400 und 600 Prozent im Vergleich zum Selbstzahlermarkt. Heß sagte: „Dass Investitionen getätigt werden müssen, steht außer Frage. Doch vorher muss zwingend geklärt werden, ob sie auch ihren Zweck nachhaltig erfüllen und die Kosten dafür gerecht verteilt sind.“

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