Herzerkrankungen

Früher tot durch Digitalis-Therapie?

Deutsche Kardiologen haben in einer umfangreichen Auswertung die derzeit verfügbaren Studiendaten zum Zusammenhang zwischen Digitalis-Therapie und Sterberisiko aufgearbeitet. Ihre Analyse wirft kein gutes Licht auf diese Therapie.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Aus der Fingerhutpflanze gewonnene Digitalis-Präparate haben einen engen Dosierungsspielraum.

Aus der Fingerhutpflanze gewonnene Digitalis-Präparate haben einen engen Dosierungsspielraum.

© H. Brauer / fotolia.com

FRANKFURT / MAIN. Herzglykoside wie Digoxin werden seit langem bei Herzinsuffizienz (zur Symptomverbesserung und Reduktion von Klinikeinweisungen) und bei Vorhofflimmern (zur Frequenzregulierung) therapeutisch genutzt.

Die dieser Praxis zugrunde liegende wissenschaftliche Evidenz ist dürftig. Bei der Indikation Herzinsuffizienz gibt es mit der mittlerweile aber auch schon gut zwei Jahrzehnte alten DIG-Studie (mit Digoxin) zumindest eine randomisierte kontrollierte Studie.

Bei der Indikation Vorhofflimmern sucht man danach vergeblich.

Widersprüchliche Studienlage

Dagegen mangelt es nicht an Studien, welche die Digitalis-Therapie in einen ungünstigen Zusammenhang mit einer erhöhten Mortalität bringen. Allerdings handelt es sich dabei in aller Regel um prospektive Beobachtungsstudien oder retrospektive Post-hoc-Analysen, die selbstredend die Kausalität dieses Zusammenhangs nicht beweisen können.

Auch ist in einigen Studien keine Assoziation zwischen Digitalis-Behandlung und erhöhter Sterblichkeit beobachtet worden.

Angesichts der widersprüchlichen Datenlage und in Ermangelung randomisierter Studien hielten es Kardiologen des Uniklinikums Frankfurt am Main um Professor Stefan Hohnloser für das derzeit Beste, mit einer Metaanalyse publizierter Studiendaten zur weiteren Klärung beizutragen (Eur Heart J 2015, online 4. Mai).

Dafür haben die Forscher 19 Studien herangezogen, an denen 326.426 Patienten beteiligt waren, die entweder an Vorhofflimmern (n = 235.047) oder an Herzinsuffizienz (n = 91.379) erkrankt waren. Die Dauer der Nachbeobachtung betrug im Schnitt rund 2,5 Jahre.

Insgesamt war eine Digoxin-Therapie im Vergleich zur Gruppe ohne entsprechende Therapie mit einer um 21 Prozent höheren Mortalität assoziiert. Aufgeschlüsselt nach Erkrankungen stellten die Untersucher bei Patienten mit Vorhofflimmern ein um 27 höheres Mortalitätsrisiko fest. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz ging eine Digoxin-Behandlung mit einem um 14 Prozent höheren Sterberisiko einher.

Die geringere Risikoerhöhung bei Herzinsuffizienz könnte nach Ansicht von Hohnloser und seinen Kollegen damit zu erklären sein, dass bei dieser Indiktion auch positive Effekte von Herzglykosiden etwa auf die kardiale Hämodynamik oder auf neurohumorale Veränderungen stärker zum Tragen kommen.

Bei Vorhofflimmern ist dies anscheinend nicht der Fall. Hier könnten proarrhythmische Effekte von Glykosiden, die möglicherweise durch Interaktionen mit anderen Medikamenten noch verstärkt werden, eine Erklärung für die Zunahme der Mortalität sein.

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