Riesenzellarteriitis / Neuer Wirkstoff

Kortison auf dem Rückzug bei Gefäßentzündung

Demnächst dürfte in Deutschland zum ersten Mal ein Medikament für Patienten mit Riesenzellarteriitis zugelassen werden. Die Behandlung mit dem Antikörper Tocilizumab kann den Glukokortikoidbedarf stark reduzieren.

Veröffentlicht:
Die Gefäßentzündung bei einer Riesenzellarteriitis kann im schlimmsten Fall zur Erblindung führen.

Die Gefäßentzündung bei einer Riesenzellarteriitis kann im schlimmsten Fall zur Erblindung führen.

© Ugreen / iStock / Thinkstock

BERLIN. Mit einer Inzidenz von 440 Erkrankungen pro eine Millionen Menschen pro Jahr ist die Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis), eine Autoimmunerkrankung, zwar selten. Sie gehört aber zu jenen rheumatischen Erkrankungen, die tunlichst nicht übersehen werden sollten, da die Gefäßentzündung im schlimmsten Fall zur Erblindung führen und auch Schlaganfälle und Herzinfarkte begünstigen kann.

Bisher seien bei dieser Erkrankung Glukokortikoide für die Therapie gesetzt gewesen – auch wenn sie dafür nie formal zugelassen wurden, sagte Prof. Bernhard Hellmich von der Medius Klinik Kirchheim, Präsident des 45. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Stuttgart. "Glukokortikoide helfen, aber wenn die Dosis gesenkt wird, kommt es bei bis zu 70 Prozent der Patienten zu Rückfällen", so Hellmich.

Das soll jetzt anders werden. Ende Juli wurden die Ergebnisse der GiACTA-Studie im "New England Journal of Medicine" publiziert (Stone J et al. New Engl J Med 2017; 377:317-28; DOI: 10.1056/NEJMoa1613849), die möglicherweise einen neuen Standard bei der Behandlung der Arteriitis temporalis setzen könnte. In der Studie erhielten 251 Patienten mit Riesenzellarteriitis zusätzlich zu einer 26- oder 52-wöchigen Glukokortikoidtherapie den Anti-IL6-Antikörper Tocilizumab oder Placebo.

52 Wochen nach komplettem Ausschleichen der Glukokortikoidtherapie hatten bei Tocilizumab-Therapie über 50 Prozent der Patienten eine anhaltende, steroidfreie Remission. In den beiden Placebogruppen mit 26 bzw. 52 Wochen alleiniger Glukokortikoidtherapie war das nur bei 14 bzw. 18 Prozent der Patienten der Fall.

Auch der Gesamtverbrauch an Glukokortikoiden sei bei Tocilizumab-Therapie mit rund 1,9 g nach 52 Wochen nur etwa halb so hoch gewesen wie in den Therapiegruppen ohne Tocilizumab, betonte Hellmich. Es sei vor diesem Hintergrund zu erwarten, wenn auch noch nicht bewiesen, dass auch die Glukokortikoid-assoziierten Langzeitkomplikationen abnähmen, so der Experte. Unklar ist bisher, wie lange Tocilizumab appliziert werden sollte und was passiert, wenn es abgesetzt wird.

Auf Basis der GiACTA-Studie wurde das für andere rheumatische Erkrankungen schon länger verfügbare Tocilizumab im Mai von der FDA zugelassen. Die EMEA gab im Juli ein positives Votum ab. Er erwarte die offizielle Zulassung für Deutschland noch im September, so Hellmich. (gvg)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Interview mit Leitlinien-Koordinator

Gonarthrose-Therapie: „Nur wenige Maßnahmen wirken“

Nicht-medikamentöse Behandlung

Sport bei Kniegelenksarthrose? Move it or loose it!

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

© Olia / Generated with AI / stock.adobe.com

Neurologische Entwicklungsstörung

Rett-Syndrom: früh diagnostizieren, Betroffene bestmöglich fördern und Familien entlasten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Acadia Pharmaceuticals (Germany) GmbH, München
Abb. 1: Phenylketonurie – Phenylalanin-Zielwerte und Monitoring während der Lebensphasen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2, 3]

Enzymersatztherapie der Phenylketonurie

Pegvaliase: anhaltendes Ansprechen, flexiblere Ernährung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: BioMarin Deutschland GmbH, Kronberg am Taunus
CRP-Wert-unabhängig therapieren mit Ixekizumab

© Sebastian Kaulitzki / stock.adobe.com

Axiale Spondyloarthritis (axSpA)

CRP-Wert-unabhängig therapieren mit Ixekizumab

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Lilly Deutschland GmbH, Bad Homburg v. d. H.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung