Lipidsenkung

Primärprävention ist Individualmedizin

Lipidsenkung ohne kardiovaskuläre Erkrankung: Für wen macht das Sinn? Bei der Experten-Sprechstunde Lipidsenkung der "Ärzte Zeitung" beantwortete ein Experte Leserfragen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Statine in der Primärprävention: Überwiegt der Nutzen das Risiko?

Georg Weyers: Wenn wir uns die Datenlage insgesamt ansehen, haben wir mit der ASCOT-LLA-Studie mit Atorvastatin und der JUPITER-Studie mit Rosuvastatin nur zwei Studien in der Primärprävention, in denen eine Verbesserung der Gesamtmortalität gezeigt wurde. In allen anderen Studien gelang das nicht.

Obwohl in den Primärpräventionsstudien wahrscheinlich 10 bis 20 Prozent der Patienten eine zu Studienbeginn unbekannte kardiovaskuläre Erkrankung haben, lag die Number-needed-to-treat in einer Metaanalyse mit 10 Studien und über 70.000 Teilnehmern nur bei etwa 400 für die Vermeidung eines kardiovaskulären Ereignisses über eine Dauer von im Mittel 4,1 Jahren.

Meine persönliche Meinung: Wir sollten über den LDL-Wert hinaus schauen. Wenn Endorganschäden vorliegen, wenn eine Carotis-Plaque gefunden wird, wenn der Patient eine vaskuläre Proteinurie hat oder eine starke familiäre Belastung, dann würde ich therapieren.

Eine reine LDL-Kosmetik sehe ich dagegen wegen eines leicht erhöhten Risikos für Diabetes mellitus und Nierenschäden kritisch.

Welcher Risiko-Score sollte eingesetzt werden, und wie therapierelevant ist das Ergebnis?

Weyers: Grundsätzlich können der PROCAM Score, der Framingham-Score, der europäische Euro-SCORE und der ARRIBA-Score eingesetzt werden. Der PROCAM ist zwar ein deutscher Score, aber es ist ein reiner Männer-Score.

Für geeigneter im Alltag halte ich den ARRIBA-Score (www.arriba-hausarzt.de), der eine Umsetzung des Framingham-Scores auf deutsche Verhältnisse ist. Zu den Vorteilen dieses Scores zählt, dass auch Carotis-Plaques enthalten sind.

Mit ARRIBA kann das Risiko zudem sehr gut visualisiert werden. Generell setze ich Scores nicht so sehr dazu ein, um zur Therapieentscheidung zu kommen, sondern vor allem, um gegenüber dem Patienten das Risiko zu veranschaulichen.

Mit Hilfe der Scores lässt sich auch gut darstellen, was erreichbar ist, wenn bestimmte Risikofaktoren angegangen werden. Das kann sehr motivierend sein und die Compliance verbessern.

Welche Maßnahmen senken nachweislich das kardiovaskuläre Risiko?

Weyers: Da gilt nach wie vor die INTERHEART-Studie aus dem Jahr 2004. Das Risiko einer koronaren Herzerkrankung lässt sich um über 90 Prozent senken, wenn nicht geraucht wird, wenn der HbA1c unter 7 Prozent und das LDL unter 100 mg / dl beziehungsweise die Ratio Gesamtcholesterin zu HDL unter 3,5 gesenkt werden, wenn der Blutdruck niedriger ist als 135 / 85 mmHg und der Bauchumfang unter 88 cm bei Frauen beziehungsweise unter 102 cm bei Männern liegt.

Darüber hinaus sollte mindestens zweimal die Woche 40 Minuten Sport getrieben und reichlich Obst und Gemüse verzehrt werden. Außerdem helfen ein ausgeglichener Freundes- und Familienkreis und gelegentlich ein Glas Wein.

Lesen Sie auch: "Scores, roter Reis, Leberwerte: Lipidsenkung im Fokus", "Lipidsenkung: Zielwertorientierung lohnt sich" sowie "Familiäre Dyslipoproteinämie ist hoch atherogen".

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