Kardiologie

Seltsames Phänomen

Betablocker senken bei systolischer Herzinsuffizienz die Mortalität – unabhängig von der Ausgangsherzfrequenz. Kommt allerdings zur Herzschwäche noch Vorhofflimmern als Komorbidität hinzu, verschwindet diese Wirkung. Noch ist unklar, was Betablocker bei dieser klinischen Konstellation um ihren prognostischen Nutzen bringt.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Welche Konsequenz hat das Ekg?

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Betablocker werden sowohl bei Herzinsuffizienz (zur Prognoseverbesserung) als auch bei Vorhofflimmern (zur Symptomverbesserung durch Frequenzregulierung) vorrangig empfohlen. Doch ausgerechnet bei Patienten, die Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern in Koexistenz aufweisen, lassen Betablocker – anders als bei Patienten mit Sinusrhythmus – ihre mortalitätssenkende Wirkung vermissen.

Das war jedenfalls das Ergebnis einer 2014 publizierten umfangreichen Metaanalyse, für die eine internationale Forschergruppe (Beta-Blockers in Heart Failure Collaborative Group) um Dr. Dipak Kotecha von der Universität Birmingham die gepoolten individuellen Patientendaten aus zehn placebokontrollierten Betablocker-Studien retrospektiv ausgewertet hat. Beteiligt daran waren insgesamt mehr als 18.000 Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF, Heart Failure with reduced Ejection Fraction).

Antworten auf drei Fragen gesucht

Jetzt hat diese Forschergruppe nachgelegt. Bei ihrer neuen Analyse sind die Untersucher tiefer in die Studiendaten eingedrungen, um das eigentümliche Phänomen einer anscheinend vom spezifischen Herzrhythmus abhängigen Wirksamkeit von Betablockern bei Herzinsuffizienz genauer zu beleuchten (J Am Coll Cardiol 2017; 69: 2885). Dabei sollten mit Blick auf Patienten mit und ohne Vorhofflimmern Antworten auf drei Fragen gefunden werden:

- Ist die Ausgangsherzfrequenz prädiktiv für die Mortalität?

- Ist die Wirkung von Betablockern auf die Mortalität je nach Ausgangsherzfrequenz unterschiedlich?

- Was ist die Assoziation zwischen erreichter Herzfrequenz und der Mortalität?

Bei den Herzinsuffizienz-Patienten mit Sinusrhythmus war eine höhere Herzfrequenz klar mit einer höheren Mortalität assoziiert. Jede Zunahme der Ausgangsherzfrequenz um zehn Schläge/Minute ging demnach mit einer um elf Prozent höheren Gesamtmortalität einher (Hazard Ratio: 1,11 pro 10 Schläge/Minute; p < 0.0001). Ganz im Gegensatz dazu erwies sich die Baseline-Herzfrequenz bei den Patienten mit Vorhofflimmern als nicht prädiktiv für die Mortalität (HR: 1,03 pro 10 Schläge/Minute; p = 0.38).

Betablocker senkten die Herzfrequenz bei Patienten mit und ohne Vorhofflimmern im Schnitt um 11 bis 12 Schläge pro Minute. Bei Patienten im Sinusrhythmus war dieser Effekt mit einer signifikanten Abnahme der Mortalität um 27 Prozent assoziiert(HR: 0.73; p < 0.0001). Diese Mortalitätsreduktion war unabhängig von der Ausgangsherzfrequenz und gleichermaßen bei Patienten, deren Herzfrequenz zu Beginn im Bereich unter 70, zwischen 70 und 90 sowie über 90 Schläge/Minute lag, zu beobachten.

Bei Vorhofflimmern ändert sich das Bild

Im Gegensatz dazu war bei Patienten mit Vorhofflimmern als Komorbidität keine Reduktion der Mortalität als Folge der Herzfrequenzsenkung festzustellen, weder insgesamt (HR: 0,96; p = 0.58) noch stratifiziert nach der Ausgangsherzfrequenz.

Auch die unter der Therapie erreichte Herzfrequenz war zumindest bei Patienten mit Sinusrhythmus augenscheinlich von prognostischer Bedeutung: Die niedrigste Mortalität wurde bei den Patienten beobachtet, die nach Betablocker-Gabe relativ niedrige Herzfrequenzen aufwiesen. Dagegen standen bei Patienten mit Vorhofflimmern weder die erreichte Herzfrequenz noch das Ausmaß der Herzfrequenz-Änderung in Beziehung zur Mortalität.

Kotecha und seine Kollegen haben in ihrer aktuellen Studie Daten aus elf randomisierten kontrollierten Betablocker-Studien mit insgesamt 18.637 beteiligten Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz analysiert. Die finale Analyse basiert auf Daten von 14.313 Patienten mit Sinusrhythmus und 3065 Patienten mit Vorhofflimmern als Begleiterkrankung.

Die Follow-up-Dauer betrug im Mittel 1,5 Jahre. In dieser Zeit wurden bei den Teilnehmern mit Sinusrhythmus 2141 Todesfälle (15,1 Prozent) registriert. Bei den Teilnehmern mit Vorhofflimmern war die Mortalitätsrate mit 20,1 Prozent erwartungsgemäß höher.

Gründe für Unterschiede noch unklar

Die Ergebnisse der aktuellen Analyse bestätigen, dass Betablocker bei Patienten mit HFrEF und normalem Sinusrhythmus die Mortalität deutlich reduzieren – unabhängig davon, wie hoch die Herzfrequenz zu Therapiebeginn auch sein mag. Zumindest bei dieser Patientengruppe ist sowohl die vor Therapiebeginn als auch unter Betablockertherapie gemessene Herzfrequenz ein relevanter prognostischer Indikator.

Bei Patienten mit HFrEF und Vorhofflimmern ist dies offensichtlich nicht der Fall: Weder scheint die Herzfrequenz bei ihnen von prognostischer Bedeutung zu sein, noch profitieren sie von einer Mortalitätssenkung durch Betablocker – egal, wie hoch die Ausgangsfrequenz ist.

Bei der Frage danach, was die Gründe für diese Unterschiede sind, müssen die Studienautoren passen. Mehr als Spekulation ist dazu momentan nicht zu haben. Für die Forschung gibt es also noch viel zu tun.

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