RLV: Wer sind die Gewinner und wer die Verlierer?

Subjektiv sorgt die Honorarreform bei den meisten Vertragsärzten für das Gefühl, zu den Verlierern zu zählen. Objektiv betrachtet lässt sich diese Behauptung allerdings nicht ohne Weiteres bestätigen. Wer genau hinschaut, sieht in allen Fachgruppen beides: Gewinner und Verlierer.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

Die Regelleistungsvolumina (RLV), die zum Januar 2009 als Bestandteil einer umfassenden Honorarreform in Kraft getreten sind, spalten die Haus- und Fachärzte in den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Anstatt - wie ursprünglich kommuniziert - jeden Niedergelassenen mit einem deutlichen Honorarplus - ausgewiesen in Euro und Cent - zu beglücken, sehen sich nun viele Ärzte als Verlierer der Reform. Doch es gibt auch Gewinner. Dass die RLV-Bescheide für manchen Praxisinhaber - zumindest in finanzieller Hinsicht - eine wahre Hiobsbotschaft waren, wird auch aus den Reihen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nicht bestritten.

Die Gesamtvergütung bleibt begrenzt, das RLV floatet

Die Ernüchterung ist für die Honorar-Verlierer - wie im Übrigen auch für die RLV-Gewinner - die Tatsache, dass zwar mehr Geld in die vertragsärztliche Vergütung geflossen ist, die Deckelung aber weiterhin Bestand hat. "Die Gesamtvergütung der Vertragsärzte bleibt weiterhin begrenzt, das RLV floatet", meint dazu der Allgemeinmediziner und Abrechnungsexperte Dr. Dr. Peter Schlüter aus Hemsbach. Wie Schlüter weiter erläutert, bleibt die individuelle Mengenbegrenzung in Form des RLV bestehen, einen festen Punktwert gibt es nur innerhalb des RLV.

Einen Vorteil der Honorarreform sieht Schlüter darin, dass die Zunahme der Morbidität der gesetzlich krankenversicherten Patienten nicht an den Vertragsärzten hängen bleibt, sondern auf die Kassen übergeht.

Im Gegensatz zu früheren EBM-Veränderungen ist nach der neuesten Honorarreform die Ermittlung von Gewinnern und Verlierern der Reform wesentlich komplizierter geworden. Bei früheren EBM-Reformen konnten nach Schlüters Einschätzung jeweils noch sehr gut direkte Vergleichsberechnungen EBM alt versus EBM neu durchgeführt werden. "Die Komplexität der pauschalierten Vergütung macht dies fast unmöglich. Während man nach früheren Honorarreformen immer wieder Verlierer und Gewinner ausmachen konnte, sind nach der letzten Reform vom 1.1.2009 auf den ersten Blick durch die Bank alle Vertragsärzte zu Verlierern geworden. Die Vergütungsreform hat die Praxisstrukturen, die ausschlaggebend für die momentanen Honorarverwerfungen sind, nicht verändert", so Schlüter.

Will man die Unterscheidung in Gewinner und Verlierer dennoch machen, so sind Gewinner - zumindest für die alten Bundesländer - neu zu definieren. Dort gehören laut Schlüter zu den Gewinnern der aktuellen Reform diejenigen Praxen, die zumindest ohne Honorarverschiebung ins Negative aus der Reform hervorgehen. Diese Praxen verzeichnen Umsatzzuwächse um meist nicht mehr als ein bis zwei Prozent. "Die Verlierer der Honorarreform - und das sind eben die meisten - werden sich im Bereich von mehr als fünf Prozent weniger Umsatz wieder finden", schätzt Schlüter.

Hausärzte stehen tendenziell besser da als die Fachärzte

Generell stehen Hausärzte unter dem Zeichen der Honorarreform tendenziell besser da als ihre fachärztlichen Kollegen. Denn ihnen stehen neun Zusatzbudgets zu, die theoretisch gedeckelt sind, in der Praxis aber mit Blick auf die große Menge und nicht zuletzt die Plausi-Zeiten nicht im entferntesten auszuschöpfen sind. Die Zusatztöpfe, mit denen Hausärzte ihre RLV aufstocken können, heißen nun Fallwertzuschläge. Sie gibt es für neun qualitätsgebundene Leistungen: für Sonografie (3,50 Euro), Psychosomatik (3 Euro), Kleinchirurgie (1,50 Euro), Ergometrie (1,50 Euro), Prokto-/Rektoskopie (1 Euro), Langzeit-EKG (1 Euro), Langzeit-Blutdruckmessung (1 Euro), Spirometrie (1 Euro) und Chirotherapie (1 Euro).

Kompensationsmöglichkeiten für Honorareinbußen bestehen natürlich auch im Erbringen von Leistungen, die außerhalb der RLV veranschlagt sind, wie zum Beispiel Präventionsmaßnahmen. Diese können in unbegrenzter Höhe erbracht und abgerechnet werden. Es kann sich also rein finanziell lohnen, massiv in die Präventionsangebote in der Praxis zu investieren und diese zu forcieren - gestützt auf effektive Recall-Systematiken und weitere Praxismarketing-Aktionen. Selbstverständlich bieten sich auch weitere Tätigkeitsfelder wie IGeL und Privatleistungen an, um Schadensbegrenzung beim Honorarverlust zu betreiben.

KBV bemüht sich um mehr Geld für Gesamtvergütung

Da auch der KBV nicht verborgen geblieben ist, dass viele Vertragsärzte mit der Honorarreform nicht zufrieden sind, bemüht sie sich um Schadensbegrenzung und um zusätzliches Geld im System. KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Köhler hält seine Forderung aufrecht, dass das derzeitige Konstrukt der RLV verändert wird. "Praxen mit niedrigen Fallzahlen und großer Leistungsausweitung werden durch die derzeitige Regelung benachteiligt. Darauf haben wir immer hingewiesen. Das muss geändert werden. Unser Ziel ist es, dass es hier ab 1. Juli eine neue Regelung gibt", so Köhler. Derweil bemühen sich einige KVen bereits, auf zwangssolidarischer Basis Honorarverluste bei den Verlierern in Grenzen zu halten - auf Kosten der Gewinner.

Die Bemühungen der KVen stoßen zumindest bei den Verlierern auf eine positive Resonanz. So hofft Andreas Majewski auf die KV Baden-Württemberg (KVBW). Der Allgemeinarzt aus Balingen rechnet seinen Verlust anhand des RLV-Bescheids auf 17 bis 20 Prozent. Die KVBW will die Verluste auf fünf Prozent begrenzen.

Wenig Verständnis für die angeblichen Verlierer haben hingegen die Gewinner - vor allem im Osten. Denn für Hausarzt Hans-Arne Schmidt aus Darlingerode in Sachsen-Anhalt zum Beispiel ist die Reform ein echter Geldsegen. Seit 19 Jahren mit einem Kollegen tätig, habe er 2008 einen durch Abstaffelung und Budgetierung auf 50 Prozent reduzierten Fallwert von 30 Euro erzielt. "Jetzt zum ersten Mal werden wir, so Gott und KV dabei bleiben, die 1500 Patienten auch bezahlt bekommen", freut er sich. Er rechnet mit 10 000 Euro mehr - je Quartal.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Woher kommen so viele Verlierer?

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