Gastbeitrag

Beschäftigungsverbot bei Schwangeren? Oft reicht ein Attest

Ärzte, die Schwangere betreuen, müssen abwägen, wann sie ein Beschäftigungsverbot verhängen. Oft reicht das Attest der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Von Frank A. Stebner Veröffentlicht:

Manchmal ist es für Ärzte schwer zu entscheiden, ob sie ihrer schwangeren Patientin ein Beschäftigungsverbot oder doch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen sollen. Zudem unterscheidet das Mutterschutzgesetz (MuSchG) noch zwischen einem generellen und einem individuellen Beschäftigungsverbot.

Die generellen Beschäftigungsverbote gelten unabhängig vom individuellen Gesundheitszustand einer Frau und ihrer Konstitution für alle schwangeren und stillenden Arbeitnehmerinnen (§§ 3 Abs. 2, 4, 6 und 8 MuSchG sowie § 5 der Verordnung zum Schutze der Mutter am Arbeitsplatz (MuSchArbV).

Hierzu zählen unter anderem das Verbot der Beschäftigung der Schwangeren während der Mutterschutzfristen, das Verbot der Beschäftigung der Schwangeren mit Akkord und Fliesenarbeit oder mit Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeit.

Diese generellen Beschäftigungsverbote bedürfen keiner Anordnung durch den Arzt, denn sie sind mit der Bekanntgabe der Schwangerschaft sofort wirksam und der Arbeitgeber ist verpflichtet, sie umzusetzen.

Die Arbeitnehmerin kann somit bei Bestehen eines generellen Beschäftigungsverbotes die Ausübung der Tätigkeit verweigern. Falls ein Arbeitgeber die Beschäftigungsverbote missachtet, handelt er gemäß Paragraf 21 MuSchG ordnungswidrig, möglicherweise sogar strafbar.

Das individuelle Beschäftigungsverbot ist in Paragraf 3 Absatz 1 MuSchG geregelt. Hier heißt es: "Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist."

Diese Regelung gibt dem Arzt die Möglichkeit zu bestimmen, welche Tätigkeiten im Hinblick auf individuelle körperliche Gegebenheiten der werdenden Mutter oder des ungeborenen Kindes eine Gefahr darstellen können und derzeit nicht mehr ausgeübt werden dürfen.

Dabei kann die Arbeit oder der Arbeitsplatz zwar im Allgemeinen als ungefährlich eingestuft werden, für die Schwangere subjektiv jedoch zu Beschwerden führen, die ihre Gesundheit oder die des Kindes gefährden können.

Dies kann zum Beispiel schon bei Essensgerüchen oder Tabakrauch der Fall sein. Auch psychische Belastungen, denen die Schwangere am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, können den Ausspruch eines ärztlichen Beschäftigungsverbotes rechtfertigen.

Maßgeblich bei der Erteilung eines individuellen Beschäftigungsverbotes sind mithin die individuellen Verhältnisse der Schwangeren, die Gesundheitsgefährdung für die Mutter oder das Kind unter Berücksichtigung der Arbeitsplatzbedingungen, und es darf sich nicht um krankheitsbedingte Schwangerschaftsbesonderheiten handeln.

Vielmehr geht es hierbei um eine "gesunde" Schwangere mit "normalen Beschwerden" in der Schwangerschaft, wie Übelkeit oder Rückenschmerzen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Arzt hinsichtlich der Arbeitsplatzsituation / -bedingungen keine Erkundungspflicht trifft. Möglich und anzuraten ist jedoch eine Feststellung und Dokumentation des von der Schwangeren vorgetragenen Sachverhaltes.

Klagt die schwangere Patientin über Beschwerden, die auf der Schwangerschaft beruhen, so kommt es darauf an, ob es sich um einen krankhaften Zustand handelt, der zur Arbeitsunfähigkeit führt.

Kann dies bejaht werden, ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Haben die Beschwerden dagegen keinen Krankheitswert oder führen sie nach ärztlichem Urteil nicht zur Arbeitsunfähigkeit, so kommt die Erteilung eines Beschäftigungsverbotes in Betracht.

Letztlich entscheidet der Arzt bei einer über Beschwerden klagenden Patientin, Befunde zu erheben und auszuwerten, um festzustellen, ob es sich hierbei um einen krankhaften Zustand handelt, der zur Arbeitsunfähigkeit und damit zur Ausstellung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung führt oder ob es bei einer an sich "gesunden" Schwangeren aufgrund der spezifischen Arbeitsplatzsituation zu einer Gesundheitsgefährdung der Mutter oder des Kindes führen kann. Dann wäre ein individuelles Beschäftigungsverbot zu attestieren.

Zur Person: Dr. Frank A. Stebner ist Fachanwalt für Medizinrecht in Salzgitter.

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie Hausärzte Fortbildung jetzt „feiern“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen