HINTERGRUND

Manche Athleten haben so hohe Testosteronwerte - da würden selbst Elefanten Probleme bekommen

Von Bülent Erdogan Veröffentlicht:

Eine "unausrottbare Naivität" im Umgang mit Dopingssubstanzen speziell unter Kraftsportlern beklagt Professor Horst Michna, Dekan der Fakultät für Sportwissenschaft der Technischen Universität München. Die Folgen des Dopings reichten dabei von der Impotenz bis hin zum Tod, wie der frühere Ruderer im Deutschland-Achter auf einer Tagung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) in Köln deutlich machte.

So habe man in der Leber des Mitte der 90er Jahre im Alter von 43 Jahren gestorbenen Bodybuilders Andreas Münzer viele verschreibungspflichtige Präparate nachweisen können. Der Hammerwerfer Detlef Gerstenberg habe durch den Konsum anaboler Steroide einen 400fach erhöhten Testosteronwert gehabt. "Das sind Dosierungen, mit denen man auch bei einem Elefanten massive Nebenwirkungen induzieren könnte", sagte Michna.

Viele Bodybuilder sind sich der Nebenwirkungen bewußt

Viele Bodybuilder seien sich zwar der Wirkungen des Dopings bewußt. Statt jedoch auf eine Einnahme zu verzichten, fragten sie: "Nach welcher Dosis und nach welcher Zeit erleide ich das?" Generell gelte, daß alles, was in der Therapie und der Schweinemast eingesetzt werde, irgendwann als Dopingmittel verwendet werde, so Michna.

      Ärzte werden von Patienten auf Anabolika
angesprochen.
   

Bei Sportlern und Bodybuildern verfangen die abschreckenden Beispiele kaum. In einer Studie unter bayerischen Sportärzten hätten 61 Prozent der Ärzte angegeben, von ihren Patienten bereits auf Dopingmittel angesprochen worden zu sein, so Michna. Unter diesen Patienten seien auch C-Kader-Athleten der Spitzenverbände im Deutschen Sport-Bund gewesen.

Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Biochemischen Instituts der Deutschen Sporthochschule Köln, geht im Bereich des Freizeit- und Jugendsports von einer Mißbrauchsquote von acht bis neun Prozent aus.

Eindrücklich warnte Michna vor einem Anstieg der Beschaffungskriminalität unter jenen Sportlern und Bodybuildern, die Doping betreiben. Zwar seien Hormone auf dem Schwarzmarkt preiswerter zu erwerben als in Apotheken, doch selbst dort gehe es schnell um fünfstellige Beträge, um den Hormonbedarf eines Jahres zu decken. "Die Beschaffungskriminalität in diesem Milieu nimmt atemberaubend zu", verwies der Sportwissenschaftler auf Einschätzungen von Strafverfolgern. Zudem sei in den Schwarzmarkt-Präparaten selten drin, was draufstehe.

Deutliche Kritik übte auch der ehemalige Bodybuilder Jörg Börjesson. Er warnte jedoch vor einer Vorverurteilung der Kraftsportszene: "Doping ist kein Problem des Sports oder des Bodybuildings, sondern der Gesellschaft", sagte der 39jährige im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Börjesson klärt heute Jugendliche über die Gefahren des Dopings auf. Viele unterschätzten trotz aller Kenntnisse die Nebenwirkungen. Die schnelle Wirkung der Mittel beim Training erzeuge zunächst Euphorie. Ohne Doping fehle anschließend die Motivation: "Das ist wie beim Alkohol. Ein schleichender Prozeß", konstatiert Börjesson, der durch Dopingmißbrauch selbst körperliche Schäden davontrug. So entfernten ihm Ärzte 2002 fast ein halbes Kilogramm Brustgewebe.

Starke Akne kann auf Anabolika-Konsum hindeuten

"Bei Eltern sollten die Alarmglocken läuten, wenn sich der Sohn plötzlich nur noch über seinen Körper definiert und versucht, sich allein von Aminosäuren und Ernährungskonzentraten zu ernähren", so Börjesson. Hellhörig werden sollten Eltern auch dann, wenn Jugendliche schnell und viel an Gewicht zulegten. Weitere Warnsignale seien ein plötzlicher, für das Alter ungewöhnlicher starker Bartwuchs, starke Akne etwa am Rücken oder vermehrte Aggressivität.

Kritik richtete Börjesson an die Betreiber von Sport-Studios und an die Krankenkassen. "Doping ist eine Art rotes Tuch für die Betreiber. Viele ahnen oder wissen, daß es in ihrem Studio Trainer oder Mitglieder gibt, die am Verkauf von Dopingmitteln verdienen oder diese selbst einnehmen." Bislang gebe es im übrigen keine Krankenkasse, die sich mit der Doping-Prävention beschäftige.



STICHWORT

Anabolika im Sport

Erste Berichte über den Anabolika-Mißbrauch im Sport erschienen Mitte der 1950er Jahre. Betroffen waren zuerst russische Sportler, später auch westliche Athleten in Kraftsportarten wie etwa Gewichtheben, Kugelstoßen, Hammerwerfen, Boxen und Bodybuilding. Erst bei den Olympischen Spielen von Montreal 1976 konnten anabole Wirkstoffe bei Dopingkontrollen zweifelsfrei nachgewiesen werden, Trainingskontrollen gibt es seit 1989. Beliebte Substanzen sind Testosteron, Stanozolol, Nandrolon, Androstendiol und Clenbuterol.

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