Evaluation aus Deutschland

Radiologisch isoliertes Syndrom: Neue Kriterien bewähren sich in der Praxis

Mit den 2023 revidierten Kriterien für ein radiologisch isoliertes Syndrom (RIS) lassen sich Personen besser erkennen, die keine MS entwickeln: Wer trotz MS-typischer Läsionen die Kriterien nicht erfüllt, bleibt meist von einer klinischen MS verschont, zeigen auch Daten aus Deutschland.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:
Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass mit den neuen Kriterien die Unterscheidung von Patienten mit und ohne Multiple Sklerose wesentlich besser gelänge: Hier zeigten sich keine Überscheidungen der Konversionskurven. Nach fünf Jahren hatten rund 30 Prozent mit einem RIS nach den neuen Kriterien einen MS-Schub entwickelt, aber nur eine Person (4 Prozent) ohne RIS.

Die Autorinnen und Autoren resümieren, dass mit den neuen Kriterien die Unterscheidung von Patienten mit und ohne Multiple Sklerose wesentlich besser gelänge: Hier zeigten sich keine Überscheidungen der Konversionskurven. Nach fünf Jahren hatten rund 30 Prozent mit einem RIS nach den neuen Kriterien einen MS-Schub entwickelt, aber nur eine Person (4 Prozent) ohne RIS. (Symbolbild)

© Nomad_Soul / stock.adobe.com

Kopenhagen. Haben Personen zwar keine Symptome einer Multiplen Sklerose (MS), aber MS-typische Läsionen, die zufällig bei einer Magnetresonanztomographie (MRT) entdeckt werden, sprach man bislang dann von einem radiologisch isolierten Syndrom (RIS), wenn die Kriterien für eine räumliche Dissemination erfüllt waren: Es mussten also in mehreren MS-typischen ZNS-Arealen (periventrikulär, infratentorial, kortikal/juxtakortikal, spinal) solche Läsionen vorliegen.

Dies ist nach den 2023 revidierten Diagnosekriterien nicht mehr nötig – es reicht, wenn neben Läsionen in einem MS-typischen Areal zwei oder drei weitere Risikofaktoren vorhanden sind.

Dazu zählen ein positiver Liquorbefund mit oligoklonalen Banden (OCB), spinale Läsionen in einer weiteren MRT oder neue T2-Läsionen in einer späteren Bildgebung. Nach den aktuell revidierten McDonald-Kriterien kann bei räumlicher Dissemination und positivem Liquor auch gleich eine MS-Diagnose gestellt werden.

Die neuen RIS-Diagnosekriterien gingen in Studien mit einer verbesserten Sensitivität (86 Prozent), aber einer moderaten Spezifität (35 Prozent) einher.

Lesen sie auch

Hoher negativer prädiktiver Wert

Ein Team um Dr. Friederike Held vom Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) hat die neuen Kriterien nun anhand einer Kohorte der Universität Ulm und der TUM bei 115 Personen mit zufällig entdeckten MS-typischen Läsionen validiert und die Ergebnisse auf der Tagung der europäischen MS-Gesellschaft ECTRIMS in Kopenhagen vorgestellt.

63 der Personen erfüllten die alten Kriterien aus 2009 mit einer räumlichen Dissemination, 26 nur die neuen Kriterien, und ebenfalls 26 hatten Läsionen in nur einem Areal und maximal einen Risikofaktor, erfüllten also auch die neuen Kriterien nicht.

Alle, welche nur die neuen Kriterien erfüllten, hatten OCB im Liquor und zeigten in Nachuntersuchungen neue T2-Läsionen. Zwei von ihnen (8 Prozent) wiesen zudem Gadolinium-anreichernde Läsionen auf.

Unter den Personen, die nicht die neuen Kriterien erfüllten, hatten drei OCB (12 Prozent) und fünf (21 Prozent) entwickelten später neue T2-Läsionen.

Lesen sie auch

In den Folgejahren erkrankte rund ein Viertel an einer klinische MS, darunter nur eine Person, die nicht die neuen Kriterien erfüllte. Schauten sich die Neurologinnen und Neurologen den hochgerechneten Zehnjahresverlauf an, so konnten die alten Kriterien nur in den ersten drei Jahren gut zwischen Personen, die eine MS entwickelten, und solchen ohne diskriminieren. Anschließend hatten Personen mit MS-typischen Läsionen, welche nicht die 2009er-Kriterien erfüllten, ein ähnlich hohes Konversionsrisiko wie solche, die sie erfüllten: Nach fünf Jahren war in beiden Gruppen etwa ein Viertel betroffen.

Dagegen gelang die Unterscheidung mit den neuen Kriterien wesentlich besser: Hier zeigten sich keine Überscheidungen der Konversionskurven. Nach fünf Jahren hatten rund 30 Prozent mit einem RIS nach den neuen Kriterien einen MS-Schub entwickelt, aber nur eine Person (4 Prozent) ohne RIS. Aufgrund der niedrigen Personenzahlen sind die Ergebnisse allerdings mit Vorsicht zu interpretieren.

Vorteile versprechen die neuen Kriterien vor allem über einen hohen negativen prädiktiven Wert von über 70 Prozent, wie er in größeren Studien ermittelt wurde. Die allermeisten Personen mit MS-typischen Läsionen, welche nicht die neuen Kriterien erfüllen, entwickeln also tatsächlich keine klinische MS, so Held. Dies werde nun auch durch die Daten aus München und Ulm bestätigt.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Retrospektive Analyse

Pille könnte schubunabhängige MS-Progression bremsen

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

© zoranm | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Metaanalyse

Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

© Studio4 | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Sommer, Sonne, Nebenwirkung?

Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

© [M] LASZLO / stock.adobe.com

Komplementinhibition bei generalisierter Myasthenia gravis

Real-World-Datena bestätigten Ravulizumab in der klinischen Praxis

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Abb. 1: Studie VISION-DMD: motorische Funktion TTSTAND-Geschwindigkeit unter Vamorolon 6mg/kg/Tag im Vergleich zu Placebo (erstellt nach [13])

© [M] Springer Medizin Verlag GmbH; Santhera Germany GmbH

Therapie der Duchenne-Muskeldystrophie mit Kortikosteroiden über alle Altersstufen

Grundlagen und Real-World-Erfahrungen mit Vamorolon

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Santhera Germany GmbH, München
Abb. 1: Freisetzung von Neurofilamenten aus geschädigtem Axon

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Serum-Neurofilament-Leichtketten: Nutzen für die Praxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

BAM-Kongress 2025

Brustschmerz in der Hausarztpraxis: Was tun?

„ÄrzteTag“-Podcast

GKV in der Krise – warum ist das Klassenzimmer die Lösung, DAK-Chef Storm und BVKJ-Präsident Hubmann?

Lesetipps
Nahaufnahme wie eine Kind ein orales Medikament einnimmt.

© Ermolaev Alexandr / stock.adobe.com

Häufiges Problem bei Kindern

Nach Medikamentengabe gespuckt – was tun?

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung