Organspende

Ein Jahr der Tiefpunkte

Weniger Spender, weniger Organe, weniger Patienten auf der Warteliste: Die Transplantation erlebt ein Jahr der Niederschläge. Schuld ist auch ein Skandal, aber nicht nur. Jetzt soll das Register helfen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Spenderorgan im Styroporbehälter. Ein Register soll das Transplantationswesen transparenter machen.

Spenderorgan im Styroporbehälter. Ein Register soll das Transplantationswesen transparenter machen.

© Soeren Stache/dpa

BERLIN. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres haben 754 Menschen Organe gespendet. Das waren 15,5 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, als Ende Oktober noch 892 Spender registriert worden waren.

Damit haben die Spenderzahlen in Deutschland einen neuen Tiefpunkt erreicht. Das geht aus am Dienstag veröffentlichten Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation hervor. Die DSO hofft nun auf das geplante Transplantationsregister.

Als positiv wertete DSO-Interimschef Rainer Hess, dass es gelungen sei, aus weniger Spendern vergleichsweise mehr Organe zu gewinnen. Die Zahl der gespendeten Organe ist von Januar bis Oktober auf 2645 (Vergleichszeitraum 2012 3001) gesunken und damit lediglich um 11,9 Prozent.

Nach Bekanntwerden der Manipulationen in mehreren deutschen Transplantationszentren waren die Spenderzahlen bereits 2012 um rund elf Prozent eingebrochen. Auch zuvor waren die Zahlen schon leicht gesunken. "Die DSO badet aus, was die Zentren verursacht haben", sagte Hess bei der DSO-Jahrestagung in Berlin.

Manche Ursachen für das Spendendesaster sind hausgemacht. "In den Regionen wird nicht einheitlich gearbeitet", räumte Hess ein. Manchmal finde eine Organentnahme lediglich deshalb nicht statt, weil die gewünschte Perfusionslösung nicht vorhanden sei.

Der in diesem Jahr neu installierte wissenschaftliche Fachbeirat soll nun einheitlich geltende Standards entwickeln. Inzwischen hat die Verunsicherung in Sachen Organspende auch auf die Ärzte übergegriffen. Abzulesen ist das an der auf 11.300 gesunkenen Zahl von Patienten auf der Warteliste.

Hess mahnte an, das Spendesystem zukünftig sicherer und gerechter zu machen. Die Bundesärztekammer (BÄK) ist dabei, die Vergabekriterien neu zu regeln. Dabei könnte es zu einer Verschiebung der Gewichtung der Kriterien Dringlichkeit und Erfolgsaussichten kommen. Ein Transplantationsregister soll ab 2015 erste Daten dazu liefern.

Hess wird die DSO verlassen. Der Nachfolger sei bereits bestellt, teilte die DSO mit. In die von vorneherein auf ein Jahr begrenzte Amtszeit von Hess fiel die Neustrukturierung des DSO-Stiftungsrats mit mehr Einfluss von Bund und Ländern sowie die stärker fachlich-medizinische Ausrichtung des Fachbeirats.

Register für weitere Grundsatzentscheidungen

Für Hess liegt der Schlüssel für die Trendumkehr bei der Organspende in der Schaffung eines sektorenübergreifenden Transplantationsregisters. "Nur auf der Grundlage eines solchen Registers sind wir in der Lage, Risiken zu ermessen und Vermittlungskriterien zu gestalten", sagte er.

Die gesetzlichen Grundlagen für das Register könnten im kommenden Jahr auf den Weg gebracht werden, gibt sich Hess optimistisch. Der Gesetzgeber müsse es ermöglichen, die Daten der DSO, von Eurotransplant und des Göttinger Aqua-Instituts zusammenzuführen.

Bislang sind die Datenbanken strikt getrennt. Das Register soll verschlüsselte Aussagen zu Spendern und Empfängern enthalten, aber zum Beispiel auch zu Ischämiezeiten und zu Gründen, warum ein Organ verworfen wurde.

2015 könne das Register die Arbeit aufnehmen. Hess warnte vor einer 100-Prozent-Lösung von Anfang an. Das Register solle nach und nach aufgebaut und kontinuierlich erweitert werden. In Frage kämen zum Beispiel auch Daten des INEK. Nur das DRG-Institut in Münster kenne überhaupt die Zahl der Hirntoten.

Wenn die Forderung von Datenschutzbeauftragten umgesetzt werden müsse, die bereits vorhandenen und pseudonymisierten Daten bei der DSO selbst, bei Eurotransplant und beim Göttinger Aqua-Institut noch einmal völlig neu zu verschlüsseln, könne der Aufbau des Registers sich um ein weiteres Jahr verzögern, sagte Hess.

Die grundsätzliche Entscheidung für den Aufbau eines Transplantationsregisters hatte die schwarz-gelbe Koalition gemeinsam mit Ärzten und Kassenvertretern getroffen. Im Mai gab Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) den Startschuss für ein Gutachten des Instituts für Qualität und Patientensicherheit in Düsseldorf (BQS).

Bis Ende Dezember soll es untersuchen, wie Daten zur Entnahme von Organen, zur Vermittlung, Transplantation und Qualitätssicherung einheitlich erhoben und erfasst werden können.

Steht das Register, sollen die Daten als Grundlage für weitere Grundsatzentscheidungen im deutschen Organspendewesen dienen. Dazu zählt zum Beispiel die Neugewichtung von Kriterien wie Dringlichkeit und Erfolgsaussichten.

In einem Probelauf haben die DSO und das Aqua-Institut vorhandene Daten schon einmal zusammengeführt und ausgewertet. Ein erstes Ergebnis sei, dass das Alter eines Spenders eine untergeordnete Rolle für das Überleben des Empfängers spiele, berichtete Hess.

Transplanteure setzen zunehmend ihre Hoffnung auf die sogenannten marginalen Organe, nicht nur von älteren Menschen, sondern auch von solchen, die an Vorerkrankungen litten.

Ein weiterer Vorteil des Registers: Die Kommission, die derzeit die Arbeit der Transplantationszentren unter die Lupe nimmt, wäre damit in der Lage, Schwachpunkte frühzeitig zu erkennen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mehr Transplantations-Transparenz!

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